Rz. 207

Ein Versorgungsausgleich findet auch nicht statt, soweit der Berechtigte in Erwartung der Scheidung oder nach der Scheidung durch Handeln oder Unterlassen bewirkt hat, dass ihm zustehende Versorgungsanrechte, die an sich auszugleichen wären, nicht entstanden oder entfallen sind. Das entspricht der Härteregelung des § 1587c Nr. 2 BGB a.F. Erfasst wird jedes Verhalten, durch das der Berechtigte (nicht der Verpflichtete) bewirkt, dass Versorgungsanwartschaften oder -aussichten, die entstanden sind oder normalerweise entstehen würden, nicht entstehen oder wieder entfallen. In Betracht kommen neben der Kündigung des Arbeitsverhältnisses[137] oder von Rentenversicherungen (soweit überhaupt möglich),[138] der Verzicht auf Anrechte (z.B. in der betrieblichen Altersversorgung), die Ausübung von Optionsrechten, durch welche Anrechte der Versorgungsausgleich entzogen werden[139] und das Verstreichenlassen von Fristen oder die Einstellung der Beitragszahlung (z.B. bei freiwilliger Versicherung) sowie das Abfindenlassen von Versorgungen.[140] Erforderlich ist immer ein Handeln mit Bezug auf die Scheidung, d.h. der Ausgleichsberechtigte muss treuwidrig und mindestens bedingt vorsätzlich die eigene Versorgung gefährden und einen höheren Ausgleichsbetrag aufseiten des anderen Ehegatten in Kauf nehmen.[141] Die Fallgruppe kommt daher nicht in Betracht, wenn die negative Einflussnahme auf die Versorgungsanwartschaften oder -aussichten aus sonstigen Gründen gerechtfertigt ist, etwa, wenn in einer Notlage des selbst betriebenen Unternehmens Versorgungsanrechte (z.B. Lebensversicherungen) zur Rettung des Unternehmens eingesetzt werden – selbst wenn dieser Versuch sich im Nachhinein als nicht erfolgreich erweist. Vor allem auch der vorzeitige Bezug einer Altersrente wird im Regelfall zur Annahme eines Härtegrundes nicht ausreichen.[142] Bezieht der ausgleichspflichtige Ehegatte aber schon lange (im Fall des BGH 60 Monate) ein vorgezogenes Altersruhegeld mit einem dementsprechend verminderten Zugangsfaktor von 0,82 und sind die für die Verminderung des Zugangsfaktors maßgeblichen Zeiten des vorgezogenen Rentenbezugs von dem ausgleichspflichtigen Ehegatten ganz oder teilweise innerhalb der Ehezeit zurückgelegt worden, kann der Versorgungsausgleich einer wertenden Korrektur nach § 27 VersAusglG unterliegen, wenn die Nichtberücksichtigung des verminderten Zugangsfaktors bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls zu einem grob unbilligen Ergebnis führen würde.[143] Anlass zu einer solchen Prüfung kann dann bestehen, wenn der vorzeitige und vor dem Ehezeitende erfolgte Renteneintritt vom gemeinsamen Willen der Ehegatten getragen wurde und der ausgleichsberechtigte Ehegatte dabei von der vorzeitigen Inanspruchnahme des Ruhegelds durch den ausgleichspflichtigen Ehegatten unterhaltsrechtlich profitiert hat. In solchen Sachverhaltskonstellationen kann es im Einzelfall unbillig im Sinne des § 27 VersAusglG erscheinen, wenn der ausgleichspflichtige Ehegatte die mit dem geminderten Zugangsfaktor einhergehende wirtschaftliche Belastung – soweit diese auf den vor dem Ehezeitende zurückgelegten Verminderungszeiten beruht – nach der Durchführung des Versorgungsausgleichs künftig allein tragen soll, während sein Ehegatte demgegenüber in den Genuss einer ungekürzten Rente aus dem geteilten Anrecht kommt.

 

Rz. 208

Außerdem ist der Versorgungsausgleich ausgeschlossen, soweit der Berechtigte während der Ehe längere Zeit hindurch seine Pflicht, zum Familienunterhalt beizutragen, gröblich verletzt hat. Das ist ein Gedanke, der auch im alten Recht Berücksichtigung fand (§ 1587c Nr. 3 BGB a.F.). Er gilt unverändert weiter, weil er eine Ausprägung des Verbots des widersprüchlichen Verhaltens darstellt. In diesem Fall ist aber eine strenger Maßstab anzulegen: Es kommt darauf an, ob der andere Teil wirklich den Unterhalt hätte leisten können (sonst besteht gar keine Unterhaltspflicht, die hätte verletzt werden können). Eine gröbliche Verletzung setzt zudem voraus, dass die Verletzung eine längere Zeit angedauert hat[144] und auch materiell einen gewissen Mindestumfang erreicht hat.[145] Außerdem muss die Verletzung verschuldet gewesen sein.[146] Zudem sind nur in der Ehezeit (dann aber auch der Trennungszeit) vorgekommene Pflichtverletzungen relevant, nicht dagegen solche, die schon vor der Ehezeit lagen[147] oder nach ihrem Ende. Nicht erforderlich ist es dann allerdings, dass eine Pflicht zum Ehegattenunterhalt verletzt wurde. Es reicht auch eine Verletzung von ggü. Kindern bestehenden Unterhaltspflichten. In den meisten Fällen wird die Unterhaltspflichtverletzung eher zu einer Reduzierung des Versorgungsausgleichs als zu einem vollständigen Ausschluss führen. Das Maß der Herabsetzung richtet sich dann nach der Dauer und der Gewichtigkeit der Unterhaltspflichtverletzung.[148]

 

Rz. 209

Schwere persönliche Verfehlungen des Ausgleichsberechtigten gegen den Ausgleichspflichtigen oder einen nahen Angehörigen des Ausgleichspflichtigen können d...

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