1. Anspruch statt Ausübungsberechtigung der Wohnungseigentümergemeinschaft

 

Rz. 79

Das neue Recht ordnet nunmehr nicht nur die Befugnis zur Ausübung des Entziehungsanspruchs, sondern diesen selbst der Wohnungseigentümergemeinschaft zu. Damit wird zugleich der unauflösliche Widerspruch zwischen § 19 Abs. 1 S. 1 WEG a.F. und § 19 Abs. 1 S. 2 WEG a.F. mit einander widersprechenden Normbefehlen aufgehoben. Eine Klage hat nunmehr die Wohnungseigentümergemeinschaft in eigenem Namen, nicht als gesetzliche Prozessstandschafterin der Wohnungseigentümer zu erheben. Die sich hieraus ergebenden praktischen Auswirkungen bestehen wohl nur darin, dass nunmehr auch in Zweiergemeinschaften bereits das Erkennntnisverfahren nicht von dem übrigen Wohnungseigentümer, sondern von der Wohnungseigentümergemeinschaft anzustrengen ist.[76] Konsequenterweise konnte die Sonderregelung in § 18 Abs. 1 S. 2 WEG a.F. ersatzlos entfallen.

[76] BT-Drucks 19/18791, S. 55.

2. Wegfall des Beschlusses nach § 18 Abs. 3 S. 1 WEG a.F.

a) Zulässigkeit der Entziehungsklage ohne Beschlussfassung

 

Rz. 80

Darüber hinaus entfällt mit dem Wegfall von § 18 Abs. 3 S. 1 WEG a.F. die vorgängige Beschlussfassung vor der Entziehungsklage. Die Klage, mit der die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die Veräußerung des Sondereigentums von einem Miteigentümer verlangt, ist somit auch ohne entsprechende Beschlussfassung zulässig. Dies wird das Entziehungsverfahren erheblich beschleunigen, da nun im Falle der Anfechtung nicht mehr der Ausgang der Beschlussklage abgewartet werden muss.[77]

[77] Hierzu OLG Hamburg v. 23.10.1987, WuM 1991, 310.

b) Willensbildung auf sonstige Art

 

Rz. 81

Der Verzicht auf die Beschlussfassung nach § 18 Abs. 3 S. 1 WEG a.F. geht allerdings über die zivilprozessualen Folgen deutlich hinaus. Soweit die Gesetzesmaterialien postulieren, dass auch ohne § 18 Abs. 3 S. 1 WEG a.F. "über die Ausübung des Anspruchs ein Mehrheitsbeschluss zu fassen ist,"[78] verkennt dies die vom Gesetzgeber selbst geschaffenen Neuerungen. Zwar werden die Eigentümer über eine so wichtige Angelegenheit wie die Entziehung von Wohnungseigentum in der Regel durch Beschluss entscheiden wollen. Zwingend ist dies jedoch nicht. Bekanntlich kommt dem Verwalter nach § 9b Abs. 1 S. 1, 3 WEG jetzt eine unbeschränkbare Vollmacht zu, die Wohnungseigentümergemeinschaft außergerichtlich und gerichtlich zu vertreten. Dies gilt naturgemäß auch im vorliegenden Zusammenhang. Leitet er also ein Entziehungsverfahren gegen einen Wohnungseigentümer ein, kann das Gericht nicht die Vorlage eines diesbezüglichen Beschlusses verlangen. Im Ergebnis könnte sich die Mehrheit der Wohnungseigentümer somit auch formlos auf die Durchführung eines Entziehungsverfahrens gegen einen missliebigen Wohnungseigentümer einigen, das der Verwalter durchsetzt. Der Betroffene kann also nicht mehr zwingend mit einer letzten Warnung durch eine förmliche Beschlussfassung rechnen. Eine Entziehungsklage kann auch ohne eine solche Beschlussfassung erhoben werden.

[78] BT-Drucks 19/18791, S. 55.

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