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Ebenso wie im allgemeinen Zivilprozess (§ 118 ZPO) eröffnet auch § 77 Abs. 1 FamFG dem Gericht die Möglichkeit, die anderen Verfahrensbeteiligten zum Begehren des um Verfahrenskostenhilfe nachsuchenden Antragstellers anzuhören, und zwar nach § 77 Abs. 1 S. 2 FamG n.F. auch zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Antragsteller. In diesem Zusammenhang ermöglicht § 117 Abs. 2 ZPO in der Fassung seit Inkrafttretens des FGG-RG es nunmehr, die zu den Gerichtsakten gereichte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers dem Antragsgegner zur Einsichtnahme zu überlassen, soweit dieser einen bürgerlich-rechtlichen Anspruch auf Auskunftserteilung über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Antragstellers hat.[89] Es reicht jeder Auskunftsanspruch nach dem BGB aus, er muss nicht Gegenstand des konkreten Verfahrens sein.[90] Allerdings muss er sich inhaltlich auf die Verhältnisse in der abgegebenen Erklärung beziehen.[91] Versagt das Gericht dem Gegner die Einsicht, ist hiergegen die sofortige Beschwerde nicht statthaft, weil das Verfahrenskostenhilfeverfahren auf die Richtigkeitsgewähr der Feststellung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse für das Gericht,[92] nicht jedoch auf einen Informationsgewinn des Gegners zielt.[93] Der Gegner muss dann eben seinen Auskunftsanspruch geltend machen.[94] Wird die Einsichtnahme bewilligt, so ist hiergegen – mit Blick auf das Erfordernis effektiven Rechtsschutzes und den Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung – die sofortige Beschwerde eröffnet.[95] Dies könnte dazu führen, dass unwahre Angaben in jener Erklärung künftig häufiger als bisher aufgedeckt werden.

[89] Siehe dazu eingehend Härtl, § 117 Abs. 2 S. 2 ZPO – Unkomplizierte Erkenntnisquelle über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Gegners?!, NZFam 2014, 1032.
[90] Ebenso OLG Koblenz FamRZ 2011, 389 [Rechtsbeschwerde zugelassen]; Viefhues, AnwZert 11/2011, Anm. 5; a.A. OLG Brandenburg FamRZ 2011, 125.
[91] OLG Naumburg FuR 2014, 432.
[92] BT-Drucks 16/6308, S. 325.
[93] BGH FamRZ 2015, 1176; OLG Frankfurt FamRZ 2016, 843; OLG Nürnberg FamRZ 2015, 684; OLG Schleswig FamRZ 2015, 685; OLG Bremen FamRZ 2012, 649; OLG Oldenburg FamRZ 2013, 805; Frauenknecht, NZFam 2016, 491; a.A. Viefhues, jurisPR-FamR 6/2011, Anm. 6; a.A.
[94] Zutr. Härtl, NZFam 2014, 1057.
[95] OLG Naumburg FuR 2014, 432; OLG Brandenburg FamRZ 2011, 125; OLG Koblenz FamRZ 2011, 389; OLG Karlsruhe FamRZ 2015, 597 m. zust. Anm. Viefhues, jurisPR-FamR 01/2015, Anm. 5; kritisch Härtl, NZFam 2014, 1032, 1034: Beschränkung auf willkürlichen Grundrechtseingriff; siehe zum Ganzen eingehend Fischer, Sofortige Beschwerde gegen Entscheidungen über die Einsicht in die PKH-Erklärung und Belege des Gegners?, MDR 2015, 1112 m.z.w.N.

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