Rz. 123

Keinen Mietwagen darf der Geschädigte in Anspruch nehmen, der vorhersehbar einen nur geringen Fahrbedarf hat (BGHZ 45, 219; OLG Hamm NZV 1995, 356; DAR 2001, 458; OLG Hamm NZV 2018, 381; LG Wuppertal NJW 2012, 1971). In manchen Fällen stellt sich heraus, dass die Benutzung eines Taxis statt eines Mietwagens günstiger ist.

 

Rz. 124

Die Rechtsprechung hat hierzu eine 20-km-Grenze entwickelt: Bei einem Fahrbedürfnis von weniger als 20 km täglich verstößt der Geschädigte in der Regel gegen die Schadensminderungspflicht, wenn er Mietwagen statt Taxi benutzt (OLG München zfs 1993, 120 f.; OLG Hamm NZV 2018, 381; KG VersR 2020, 46), denn bei höherer Kilometerleistung hätte eine Verweisung auf ein Taxi als Ersatzfahrzeug für den Geschädigten den Nachteil nicht ständiger Verfügbarkeit und Inkaufnahme von unzumutbaren Wartezeiten zur Folge (LG Baden-Baden zfs 2003, 16).

 

Rz. 125

 

Tipp

Auf diese Grenze ist der Mandant so früh wie möglich hinzuweisen. Da es sich lediglich um einen Durchschnittswert handelt (Strecke lt. Mietvertrag ./. Tage der Nutzung), kann oft schon eine einzige längere Strecke dazu führen, dass dieser Durchschnittswert überschritten wird.

 

Rz. 126

Diese Grenze ist aber nicht starr zu handhaben, sondern ist vielmehr von den persönlichen Gegebenheiten abhängig, z.B. Nachtdienste, Ruf- oder Einsatzbereitschaft u.Ä., die ggf. dargelegt werden müssen. Das Prognoserisiko für den Nutzungsumfang liegt ausschließlich beim Schädiger (OLG Hamm NZV 1995, 356).

 

Rz. 127

Es verbietet sich also stets eine retrospektive Betrachtungsweise. Niemand weiß genau zu Beginn einer Fahrzeuganmietung, wie viele Kilometer er damit zurücklegen wird. Es kann ein ungewöhnlicher Minderbedarf ebenso eintreten wie ein durch eine plötzlich erforderlich gewordene lange Reise entstehender Mehrbedarf.

 

Rz. 128

Auch bei geringer Fahrleistung können daher im Einzelfall Mietwagenkosten z.B. dann ersatzfähig sein, wenn der Geschädigte auf die ständige Verfügbarkeit eines Kfz angewiesen ist (BGH v. 5.2.2013 – VI ZR 290/11 – zfs 2013, 322; AG Bremen v. 13.12.2012 – 9 C 330/11) oder das Ersatzfahrzeug aus betrieblichen Gründen für in ihrem Umfang nicht vorhersehbare Auslieferungsfahrten bereitgehalten werden musste (AG Brühl zfs 1998, 380).

 

Rz. 129

Demnach sind Mietwagenkosten als angemessen anzusehen, wenn der Geschädigte sich so verhält, wie sich ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Fahrzeugeigentümer in der Lage des Geschädigten verhalten würde. Dabei kommt es aber ausschließlich auf die Erkenntnismöglichkeiten im Zeitpunkt der Disposition an (Ex-ante-Betrachtung). Das Prognoserisiko trägt – wie stets – ausschließlich der Schädiger (BGH NJW 1986, 2945).

 

Rz. 130

Die Inanspruchnahme eines Mietwagens ist aber dann unvertretbar und unverhältnismäßig gem. § 251 Abs. 2 BGB, wenn die zu erwartende geringe Fahrleistung auch mit dem Pkw des Lebensgefährten hätte ausgeführt werden können (OLG Karlsruhe NZV 1994, 316).

Wenn die Anmietung eines Ersatzwagens wegen geringer Fahrleistung als nicht erforderlich anzusehen ist, steht dem Geschädigten jedoch regelmäßig eine Nutzungsausfallentschädigung zu (OLG Hamm NZV 2018, 381).

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