Rz. 197

Die Höhe der merkantilen Wertminderung wird im Zeitpunkt der beendeten Instandsetzung des Unfallfahrzeugs ermittelt.[240] Die Bezifferung dieser Schadensposition bereitet keine Schwierigkeiten, wenn ein Sachverständigengutachten vorliegt, das entsprechende Wertangaben enthält. Solche Angaben sind allerdings stets kritisch zu überprüfen. Diese konkrete Einschätzung durch einen Sachverständigen geht im Zweifel aber einer pauschalen Berechnung durch eine der anerkannten Berechnungsmethoden vor.[241]

Liegt kein Sachverständigengutachten vor, muss der merkantile Minderwert eigenständig ermittelt werden. Die Höhe der merkantilen Wertminderung ist nach § 287 ZPO frei zu schätzen, wobei auf anerkannte Berechnungsmethoden zurückgegriffen werden kann.[242] Hierfür stehen letztendlich unterschiedliche Berechnungsmethoden zur Verfügung. Die bekanntesten sind:

Ruhkopf/Sahm;
Halbgewachs;
13. Verkehrsgerichtstag bzw. das ihm vorangehende sog. Hamburger Modell;
Marktrelevanz- und Faktorenmethode.
 

Rz. 198

Entscheidend ist als erste Bezugsgröße der Brutto-Wert.[243] Nach einer Auffassung in der Literatur wirkt sich der merkantile Minderwert insoweit steuerneutral aus und ist daher auch dem Geschädigten in voller Höhe zu erstatten, der zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.[244] Dies vermag aber weniger zu überzeugen, denn der merkantile Minderwert kann ja nur die Differenz ausgleichen, die bei einem Verkauf des Fahrzeugs auftritt. Bei dem zum Vorsteuerabzug berechtigten Geschädigten ergibt sich dann für ihn lediglich eine Differenz in Höhe der jeweils zu vergleichenden Nettowerte. Um eine Bereicherung des vorsteuerabzugsberechtigten Geschädigten zu vermeiden, ist daher ein merkantiler Minderwert nur unter Abzug von 19 % zu erstatten.[245]

 

Rz. 199

Die herrschende Rechtsprechung favorisierte lange Zeit die Methode von "Ruhkopf und Sahm".[246] Diese Berechnungsmethode ermittelt den merkantilen Minderwert aus einem gestaffelten Prozentsatz aus der Summe der Wiederbeschaffungskosten für das unbeschädigte Fahrzeug einerseits und der Reparaturkosten andererseits. Für die Staffelung ist zunächst maßgeblich, in welchem Verhältnis die Reparaturkosten zum Wiederbeschaffungswert stehen. Darüber hinaus wird das Fahrzeugalter berücksichtigt. Der Berechnungsmethode liegt folgende tabellarische Übersicht zugrunde:

 
Zulassungsjahr Verhältnis der Reparaturkosten zum Wiederbeschaffungswert
  10–30 % 30–60 % 60–90 %
1. 5 % 6 % 7 %
2. 4 % 5 % 6 %
ab 3. 3 % 4 % 5 %
 

Rz. 200

 

Beispiel

Das beschädigte Fahrzeug ist seit zwei Jahren zugelassen. Die Reparaturkosten betragen 10.000 EUR, der Wiederbeschaffungswert 20.000 EUR (jeweils brutto). Die Reparaturkosten betragen mithin 50 % vom Wiederbeschaffungswert. Folglich beträgt der merkantile Minderwert 5 % der Summe aus Reparaturkosten und Wiederbeschaffungswert. 5 % von 30.000 EUR ergeben einen Minderwert in Höhe von 6.000 EUR.

 

Rz. 201

Je nach Anwendung der anderen o.g. Berechnungsmethoden gelangt man zu unterschiedlichen Ergebnissen bei der Bezifferung des merkantilen Minderwerts. So führt die oben dargestellte Berechnung nach der Methode von Ruhkopf/Sahm regelmäßig dazu, dass der merkantile Minderwert umso größer wird, je höher die Reparaturrechnung durch den vorgesehenen Einbau von Neuteilen gestaltet wird. Dies führt teilweise zu erheblichen Abweichungen von der Berechnungsmethode nach Halbgewachs, dessen differenzierte, aber häufig auch recht kompliziert anmutende Bewertung viel geringere Beträge als Ergebnis hat.

 

Rz. 202

Einen anderen Weg wählt das sog. Hamburger Modell,[247] das gerade bei Fahrzeugen mit einer hohen Laufleistung auch von Gerichten außerhalb Hamburgs angewendet wird.[248] Nach diesem Modell wird der Minderwert zunächst nach den beiden Bezugsgrößen der Betriebsleistung des Pkw zum Unfallzeitpunkt und der Höhe der Reparaturkosten bestimmt. Hieraus ergibt sich die nachfolgende Tabelle:

 
Betriebsleistung Merkantiler Minderwert
bis 20.000 km 30 % der Reparaturkosten
bis 50.000 km 20 % der Reparaturkosten
bis 75.000 km 15 % der Reparaturkosten
bis 100.000 km 10 % der Reparaturkosten
 

Rz. 203

Diese Tabelle entspricht als erste Berechnungsgrundlage auch der im Handelsverkehr üblichen Faustregel "Minderwert = 20 % der Reparaturkosten". Insoweit ist zu beachten, dass bei den in Frage kommenden Fällen die Betriebsleistung des betroffenen Pkw häufig im Bereich zwischen 20.000 und 50.000 km liegen wird. In seltenen Ausnahmefällen kann auch bei Fahrzeugen mit höherer Laufleistung als 100.000 km ein merkantiler Minderwert verbleiben und z.B. bei einem Fahrzeug der höheren Preisklasse mit 7,5 % der Reparaturkosten anzusetzen sein.[249] In einem zweiten Schritt ist der aus dieser Tabelle gewonnene Wert je nach der Art der Beschädigung und Reparatur ggf. zu modifizieren. Der aus der Tabelle entnommene Wert bildet die Obergrenze, die bei einer fehlenden Beschädigung tragender Teile bzw. keinem schwerwiegenden Eingriff und/oder dem Einbau von Neuteilen entsprechend zu reduzieren ist. Auch diese...

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