Rz. 25

Kommt es dazu, dass der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer geringfügig oder im Bereich des sozialversicherungspflichtigen Einstiegsbereichs beschäftigt, ohne hierbei Kenntnis über eine Zweitbeschäftigung zu haben, so werden unter den Voraussetzungen der Zusammenrechnung beide Beschäftigungsverhältnisse voll sozialversicherungspflichtig. In der Konsequenz führt der Arbeitgeber zu wenig Sozialversicherungsbeiträge ab. Im Falle der geringfügigen Beschäftigung handelt es sich bei dem Fehlbetrag um den gesamten Arbeitnehmerbeitrag zur Sozialversicherung. Im Falle der Gleitzone handelt es sich hierbei um die Differenz zwischen dem nach dem Beitragsbemessungsbetrag berechneten Arbeitnehmerbeitrag und dem vollen Arbeitnehmerbeitrag.

 

Rz. 26

Gem. § 28e Abs. 1 SGB IV hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu zahlen. In der Konsequenz wird sich die Einzugsstelle (Minijob-Zentrale im Falle der geringfügigen Beschäftigung oder Krankenkasse) an den Arbeitgeber halten und von diesem die Beiträge rückwirkend einziehen. Insoweit stellt sich die Frage, ob der Arbeitgeber die Beiträge beim Arbeitnehmer nachträglich geltend machen kann.

 

Rz. 27

Gem. § 28g SGB IV hat der Arbeitgeber gegen den Beschäftigten einen Anspruch auf den Arbeitnehmeranteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag. Dieser Anspruch kann jedoch nur durch Abzug vom Arbeitsentgelt geltend gemacht werden. Ein unterbliebener Abzug darf nur bei den nächsten drei Lohn- oder Gehaltszahlungen nachgeholt werden. Da gleichzeitig die Geltendmachung des Anspruchs auf Erstattung des Arbeitnehmeranteils im Wege des Lohneinzugs rechtlich betrachtet eine Aufrechnung ist, sind beim Lohnabzug gem. § 394 BGB zudem die Pfändungsfreigrenzen zu beachten.

 

Rz. 28

Das Entstehen eines Schadens für den Arbeitgeber aus dieser Situation soll § 28g S. 4 SGB IV verhindern. Hiernach gilt die Verpflichtung, den Arbeitnehmeranteil nur im Wege des Lohnabzugsverfahrens und nur innerhalb der nächsten drei Lohnabrechnungen geltend zu machen, nicht, wenn der Arbeitnehmer seine Pflichten nach § 28o Abs. 1 S. 1 und 2 SGB IV vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat.

 

Rz. 29

Gem. § 28o Abs. 1 SGB IV hat der Beschäftigte dem Arbeitgeber die zur Durchführung des Meldeverfahrens und der Beitragszahlung erforderlichen Angaben zu machen und, soweit erforderlich, Unterlagen vorzulegen. Da die Kenntnis hierüber beitragsrelevant ist, erstreckt sich die Auskunftspflicht nach § 28o Abs. 1 SGB IV insbesondere auch auf die Anzeige einer weiteren geringfügigen Beschäftigung. Gleiches muss jedoch auch für den sozialversicherungsrechtlichen Übergangsbereich gelten, da die Berechtigung, innerhalb dieser Gleitzone in den Genuss des verringerten Arbeitnehmeranteils zu kommen, gem. § 20 Abs. 2 SGB IV davon abhängig ist, ob noch anderweitige Beschäftigungsverhältnisse bestehen. Hat der Arbeitnehmer also dem Arbeitgeber die insoweit relevanten Informationen vorenthalten, ist der Arbeitgeber für den Rückgriff hinsichtlich der von ihm nachzuentrichtenden Beiträge nicht an die Grenzen des § 28g SGB IV gebunden. Der Arbeitgeber sollte bereits im Arbeitsvertrag auf die Auskunftspflichten des Arbeitnehmers hinweisen und sich in einem entsprechenden Fragebogen die nötigen Angaben machen lassen (vgl. § 30 Rdn 7).

 

Rz. 30

Gleichwohl besteht die Möglichkeit, dass für den Arbeitgeber insoweit ein Schaden ­entsteht. Zum einen ist er nämlich gem. § 394 BGB an die Pfändungsgrenzen gebunden. Gerade im Falle von Teilzeitbeschäftigungen kann sich das freie Entgelt durchaus im ­Bereich der Pfändungsgrenzen bewegen, so dass faktisch kein Zugriff auf das Arbeitsentgelt des Arbeitnehmers möglich ist. Darüber hinaus ist nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ein Beitragsabzug nicht mehr möglich. Schließlich ist nach Ver­jährung der Beitragsansprüche, die nach § 25 SGB IV in vier Jahren nach Ablauf des ­Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind, eintritt, ein Beitragsabzug nicht mehr zulässig.[15]

 

Rz. 31

Als zivilrechtliche Anspruchsgrundlage für den Ersatz eines dem Arbeitgeber entstandenen Schadens kommt zunächst § 670 BGB in Betracht. Darüber hinaus kommen selbstständige Schadensersatzansprüche aus § 280 BGB des Arbeitsverhältnisses oder auch deliktischer Art bis hin zu § 826 BGB in Betracht. Fraglich ist, unabhängig davon, ob die Ansprüche während des laufenden oder nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses geltend gemacht werden sollen, ob die Regelung des § 28g SGB IV nicht andere Ansprüche sperrt. Dies wird für den Regelfall so sein, da § 28g SGB IV im Wortlaut eindeutig ist ("kann nur durch Abzug vom Arbeitsentgelt geltend gemacht werden").[16] Eine Ausnahme hiervon wird man jedoch anzunehmen haben, wenn der Arbeitnehmer seiner Mitteilungspflicht nach § 28o Abs. 1 SGB IV nicht nachgekommen ist. Insoweit ist eine anderweitige Realisierung des Regresses trotz § 28g SGB IV möglich.

 

Rz. 32

Eine Arbeitsvertragsklausel, nach der der Arbeitnehmer auf seine Verpflichtung zur Mitteilung aufmerksam gemacht und weiterhin ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge