Rz. 153

Der BGH hatte bei seiner Grundsatzentscheidung vom 11.2.2004 – XII ZR 265/02[109] (Änderung seiner Rechtsprechung; Einführung der Inhalts- und Ausübungskontrolle von Eheverträgen heutiger Prägung) notwendig einen zeitlich davor liegenden Fall zu beurteilen. Bei der Prüfung der Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB ist auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses und damit auf das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden an diesem Tag abzustellen. Man stelle sich nun im Wege eines Gedankenexperiments den Abschluss zweier identischer Verträge mit dem vollständigen Ausschluss des Kindesbetreuungsunterhalts nach § 1570 BGB vor, einmal am 28.3.2001, dem Tag vor der Ausgangsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts – 1 BvR 1766/92,[110] und ein anderes Mal am 12.2.2004, dem Tag nach der neuen BGH-Rechtsprechung.[111] Hat sich das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden in diesen drei Jahren tatsächlich um 180 Grad gedreht? Sollen sich die begünstigten Ehegatten vom einen auf den anderen Tag nicht mehr auf ihren Vertrag verlassen dürfen? Haben sich damals die Notare schadensersatzpflichtig gemacht? Hier stellt sich die bislang in der Rechtsprechung noch nicht vertiefte Frage, ob die neue Rechtsprechung wirklich ex tunc wirkt oder nicht. Sie wird in der Literatur unterschiedlich beantwortet.[112]Bosch[113] trägt starke Argumente vor. wobei eine Änderung der BGH-Rechtsprechung im Hinblick auf die Anknüpfung an den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses jedenfalls zurzeit unwahrscheinlich ist.

[110] BGH FamRZ 2001, 985.
[112] Vgl. Bosch, FamRZ 2016, 1026 einerseits, Grziwotz, FamRB 2009, 19 andererseits.
[113] Bosch, FamRZ 2016, 1026.

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