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Rz. 1

 

Alleiniger Bearbeiter dieses Beitrags ist Rechtsanwalt und Mediator Roland Zarges.

A. Deckungssummenproblematik

 

Rz. 2

Zu den schwierigsten Fällen der Schadensregulierung gehören solche, bei denen der Versicherer bei der Regulierung einwendet, die Deckungssumme sei erschöpft oder reiche nicht aus. Hintergrund ist, dass für jeden Versicherungsvertrag eine bestimmte Deckungssumme vereinbart ist. Der Versicherer haftet im Rahmen des Schadensfalls ausschließlich im Rahmen dieser Deckungssumme. Der Schädiger haftet ggf. für darüber hinausgehende Beträge.

Von den Fällen der Erschöpfung der Deckungssumme sind solche zu unterscheiden, bei denen der Schädiger ausschließlich aus Betriebsgefahr (§ 7 StVG) haftet. In diesen Fällen gilt die Haftungshöchstsumme nach § 12 StVG. In diesen Fällen haftet sowohl der Versicherer als auch der Schädiger selbst ausschließlich im Rahmen dieser Haftungshöchstsummen. Die aktuelle Haftungshöchstsumme beträgt 5.000.000,00 EUR.

 

Rz. 3

Neben den Begriffen der Deckungssumme und der Haftungshöchstsumme nach § 12 StVG gibt es noch Fälle der Mindestversicherungssumme. Dies sind Fälle, in denen ausschließlich eine vorläufige Deckung besteht, die keine weitere Deckungssumme vorsieht, oder aber in denen ein sog. "krankes Versicherungsverhältnis" vorliegt, d.h., in denen Prämien nicht bezahlt wurden etc. Auch hier haftet der Schädiger über die Mindestversicherungssumme hinaus in voller Höhe für eingetretene Schäden.

 

Rz. 4

Die vorliegende Darstellung beschäftigt sich ausschließlich mit Fällen, in denen die Deckungssumme nicht ausreichend ist.

 

Rz. 5

Man spricht in der Praxis vom Kürzungs- und Verteilungsverfahren. Hier sind folgende Begriffe zu unterscheiden: Von einem Kürzungsverfahren spricht man dann, wenn ausschließlich der Geschädigte selbst Ansprüche geltend machen kann, ohne dass ein Sozialversicherungsträger oder ein anderer Dritter übergegangene Ansprüche hat. Das sind beispielsweise die Fälle, in denen das Familienprivileg gilt. Vom Verteilungsverfahren spricht man dann, wenn neben dem Geschädigten noch Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte (z.B. Sozialhilfeträger) Ansprüche geltend machen, auf die die Ansprüche des Geschädigten übergegangen sind.

 

Praxistipp

In Fällen, in denen der Versicherer die Erschöpfung der Deckungssumme einwendet, sollte unbedingt ein Fachmann hinzugezogen werden, der sich mit dieser Materie auskennt.

 

Praxistipp

Prüfen Sie in Fällen der Deckungssummenproblematik unbedingt die Deckungssumme der eigenen Vermögensschadenshaftpflichtversicherung. Es geht hier um Fälle mit schwerstgeschädigten Personen. Die eigenen Haftungsrisiken des Rechtsanwalts sind sehr hoch. Deswegen sollte ggf. im Einzelfall die Deckungssumme der eigenen Berufshaftpflichtversicherung erhöht werden.

 

Rz. 6

Wichtig ist, dass genau geklärt wird, wie hoch die Deckungssumme beim gegnerischen Haftpflichtversicherer ist. Grundsätzlich gilt, dass sowohl der Schädiger als auch der Haftpflichtversicherer unbegrenzt haften, zumindest in den Fällen der Pflichtversicherung, also vor allem in der Kraftfahrthaftpflichtversicherung (§ 115 VVG). Demgemäß muss der Haftpflichtversicherer nachweisen, auf welchen Betrag seine Haftung begrenzt ist.

 

Praxistipp

In Fällen der Erschöpfung der Deckungssumme sollte immer die Vorlage des Versicherungsscheins verlangt werden. Gerade bei Alt-Fällen, in denen in der Praxis öfters die Erschöpfung der Deckungssumme eingewendet wird, gelingt es dem Versicherer gelegentlich nicht, den Versicherungsschein vorzulegen. Der Nachweis der behaupteten Deckungssumme wird dann für den Versicherer besonders schwierig.

 

Praxistipp

Versicherungsscheine weisen oft die Aussage "unbegrenzte Deckung" aus und erst im Kleingedruckten eine Begrenzung der Deckung für Personenschäden. Dies könnte gegen das Transparenzgebot und das Verbot überraschender Klauseln (§ 305c BGB) verstoßen. Bislang ist dies offen. Ein Versicherer wird einen Prozess dazu vermeiden wollen. Dabei ist zu beachten, dass die Regelungen zu AGB erst für Fälle nach dem 30.7.1994 greifen. Davor waren Versicherungsbedingungen wegen der Genehmigung durch das BAV (Vorläufer der BaFin) von der Überprüfung nach dem damaligen AGBG ausgenommen.

 

Rz. 7

Kompliziert sind Deckungssummenfälle auch deswegen, weil es sich häufig um alte Schadensfälle handelt. In diesen Fällen sind die Deckungssummen deutlich geringer als heutzutage.

Häufig wird erst nach Jahrzehnten der Regulierung eingewendet, die Deckungssumme reiche nicht aus. Dies ist in der Regel falsch. Sofern nicht einzelne Positionen, wie z.B. die Pflege, deutlich teurer geworden sind, bleibt die Berechnung des Kürzungs- oder Verteilungsplans (siehe dazu Rdn 8 ff.) über die Laufzeit wegen der Abzinsung auf den Unfallzeitpunkt gleich. Es stellt sich in den wenigsten Fällen tatsächlich nach 20 Jahren heraus, dass die Deckungssumme nicht ausreicht.

 

Hinweis

Der Versicherer ist verpflichtet, eine korrekte Berechnung der verbrauchten und der verbleibenden Deckungssumme vorzulegen. Es ist nicht die Aufgabe des Geschädigten, k...

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