Rz. 518

Trotz der mittlerweile vielfältigen Möglichkeiten zur schnellen Kommunikation zwischen Auftraggeber und RA kommt es immer wieder vor, dass zum Zeitpunkt des Ablaufs der Notfrist für die Einlegung der Berufung nicht eindeutig klar ist, ob die Berufung tatsächlich durchgeführt werden soll oder nicht. Weiß der Anwalt nicht sicher, ob er Berufung einlegen soll oder nicht, ist dies problematisch. Reagiert der Anwalt nicht, riskiert er den Eintritt der Rechtskraft und damit den Verlust der Anfechtbarkeit des Urteils.

 

Rz. 519

Um dies zu vermeiden, erfolgt die Einlegung der Berufung nur zur sog. "Fristwahrung". Dies ändert nichts daran, dass für den Berufungsführer mit Einlegung der Berufung die volle Verfahrensgebühr i.H.v. 1,6 entsteht. Üblicherweise nimmt der RA, der den Berufungskläger vertritt, in diesen Fällen mit dem RA des Berufungsbeklagten Kontakt auf und informiert diesen über die zunächst nur fristwahrend eingelegte Berufung und bittet die Gegenseite schriftlich, sich "nicht beim Gericht zu bestellen (oder zu melden)". Wird das Rechtsverfahren nach eingehender Prüfung weiterbetrieben, wird die Gegenseite wiederum unterrichtet und sich dann beim Gericht als Prozessvertreter bestellen.

 

Rz. 520

Dieses Vorgehen ist m.E. nicht zu empfehlen. Bis zu dem Schreiben, mit dem der Berufungsbeklagte aufgefordert wird, sich nicht zu bestellen (mandatieren, melden usw.), hat dieser noch keine Kenntnis von der eingelegten Berufung. Hat der RA des Berufungsbeklagten durch die Zustellung der Berufungsschrift oder Ihre Mitteilung, dass Berufung zur Fristwahrung eingelegt wurde, Kenntnis, wird er seinen Auftraggeber informieren. Dieser wird ihm den Auftrag erteilen, die Berufung abzuwehren, sodass mit der Erteilung des Auftrags bei dem RA des Berufungsbeklagten die 1,1 reduzierte Verfahrensgebühr gem. Nr. 3201 Nr. 1 VV RVG entsteht. Durch eine Information des Berufungsbeklagten über die erfolgte Berufung entsteht bei diesem schneller ein Vergütungsanspruch, als wenn die Zustellung nur von Amts wegen erfolgt wäre. Diese dauert üblicherweise je nach Gerichtsbezirk bis zu zehn Tage.

 

Rz. 521

Verkürzte Darstellung der Nr. 3201 Nr. 1

 
Nr. Gebührentatbestand Gebühr oder Satz der Gebühr nach § 13 RVG
3201 Vorzeitige Beendigung des Auftrags:  
 

Die Gebühr 3200 beträgt

Eine vorzeitige Beendigung liegt vor,

1. wenn der Auftrag endigt, bevor der Rechtsanwalt das Rechtsmittel eingelegt oder einen Schriftsatz, der Sachanträge, Sachvortrag, die Zurücknahme der Klage oder die Zurücknahme des Rechtsmittels enthält, eingereicht oder bevor er für seine Partei einen Termin wahrgenommen hat, oder

(…)
1,1
 

Rz. 522

Diese Gebühr ist auch erstattungsfähig und muss durch den Berufungskläger an den Berufungsbeklagten gezahlt werden, wenn der Berufungskläger die Berufung zurücknimmt. Die Gebühr ist auch dann erstattungsfähig, wenn sich der RA, der den Berufungsbeklagten vertritt, nicht beim Gericht gemeldet hat (sog. Meldeschriftsatz) oder in anderer Weise erkennbar vor dem Gericht aufgetreten ist. Für das Entstehen der Gebühr ist der erteilte Auftrag des Auftraggebers entscheidend. Eine konkrete weiter gehende Tätigkeit des RA ist nicht erforderlich.

 

Rz. 523

Wenn Sie den Berufungsbeklagten in einem solchen Fall vertreten, sollten Sie sich den Auftrag von diesem gleich bei Weiterleitung der Berufung bestätigen lassen.

 

Rz. 524

Muster 8.44: Schreiben an den Auftraggeber bei gegnerischer Berufung zur Fristwahrung

 

Muster 8.44: Schreiben an den Auftraggeber bei gegnerischer Berufung zur Fristwahrung

Anrede,

wie Sie dem in der Anlage beigefügten Schreiben entnehmen können, hat die Gegenseite gegen das obsiegende erstinstanzliche Urteil leider Berufung eingelegt, sodass das Verfahren noch nicht durch Eintritt der Rechtskraft beendet ist. Offenbar ist die Gegenseite sich aber nicht sicher, ob ernsthaft ein Berufungsverfahren geführt wird und hat die Berufung daher nur zur Wahrung der unverlängerbaren Notfrist zur Einlegung der Berufung eingelegt. Gleichzeitig sind wir gebeten worden, uns nicht bei Gericht zu bestellen.

Es ist in diesen Fällen aus anwaltlichen Gepflogenheiten unüblich, sich trotzdem beim Gericht zu melden und Ihre Vertretung anzuzeigen. Da nicht auszuschließen ist, dass das Berufungsverfahren durchgeführt wird, bitten wir Sie, uns mittels der beigefügten Auftragsbestätigung für das Berufungsverfahren zu beauftragen. Wir werden uns dann unverzüglich beim Gericht melden, sobald feststeht, dass die Berufung auch durchgeführt wird. Endet das Berufungsverfahren ohne Begründung mit Rücknahme durch den Berufungskläger (Gegner), werden wir Ihnen keine Vergütung in Rechnung stellen.

Es drohen Ihnen keine Rechtsnachteile, wenn wir uns nicht sofort beim Gericht für Sie melden und bestellen. Das Gericht stellt weiterhin alle Schriftstücke an uns als bisherige Prozessbevollmächtigte zu.

Wir werden Sie sofort informieren, wenn feststeht, ob das Berufungsverfahren tatsächlich durchgeführt wird.

Grußformel

 

Rz. 525

Muster 8.45: Auftragsbestätigung Vertretung im Beru...

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