Rz. 724

In einigen Fällen befinden sich zwar der Wohnsitz des Auftraggebers und der Kanzleisitz am selben Ort, das Gericht ist jedoch an einem anderen Ort. Wird in diesen Fällen PKH bewilligt, erfolgt die Bewilligung durch das Gericht mit der Einschränkung, dass nur die Kosten von der Bewilligung von PKH umfasst sind, die entstehen würden, wenn der Anwalt seinen Kanzleisitz am Gerichtsort hätte.

Die Justizkasse zahlt dann nicht die Reisekosten und die Abwesenheitsgelder, die entstehen, weil der Anwalt zum Gerichtstermin anreisen muss. Diese schuldet der Auftraggeber.

 

Rz. 725

 

Praxistipp:

Haben Sie einen Fall, in dem Gerichtsort und Kanzleisitz auseinander fallen, so sollten Sie gleich im Antrag darauf achten, deutlich zu machen, warum auch die Reisekosten vom Umfang der Bewilligung umfasst sein sollten.

 

Rz. 726

Ein solches Vorgehen erspart Ihnen voraussichtlich eine sofortige Beschwerde im PKH-Bewilligungsverfahren. Die sofortige Beschwerde hat den Nachteil, dass Sie auch für diese wieder PKH beantragen müssten und erhebliche Zeitverluste berücksichtigt werden müssen.

 

Rz. 727

Muster 8.62: Antrag auf Bewilligung von PKH bei Ortsverschiedenheit (Gericht/Kanzleisitz)

 

Muster 8.62: Antrag auf Bewilligung von PKH bei Ortsverschiedenheit (Gericht/Kanzleisitz)

Zuständiges Gericht

In Sachen _________________________ (Aktenzeichen)

wird bereits jetzt weiterhin ausdrücklich beantragt,

Prozesskostenhilfe ohne Einschränkung zu bewilligen.

Insbesondere wird beantragt,

die notwendigen Reisekosten des beigeordneten Rechtsanwalts zur Wahrnehmung der erforderlichen Gerichtstermine nicht vom Umfang der Bewilligung auszuschließen.

Begründung:

Ausweislich der diesem Antrag beigefügten Erklärung über die finanziellen und persönlichen Verhältnisse des Antragstellers ist es diesem nicht möglich, die Reisekosten des beigeordneten Rechtsanwalts aus eigenen Mitteln zu finanzieren.

Es war der um Prozesskostenhilfe nachsuchenden Partei auch nicht möglich, gleich einen Anwalt am Gerichtsort einzuschalten. Vor dem gerichtlichen Verfahren haben die Parteien eine vorgerichtliche Auseinandersetzung geführt. Es war nicht von Anfang an abzusehen, dass sich eine gerichtliche Auseinandersetzung anschließen würde.

Verlangte man jetzt von der um Prozesskostenhilfe nachsuchenden Partei, einen Anwalt am Gerichtsort mit der Wahrnehmung der rechtlichen Interessen zu beauftragen, nähme man dieser Partei die Möglichkeit, ein Vertrauensverhältnis zum zu beauftragenden Rechtsanwalt aufzubauen. Die um Prozesskostenhilfe nachsuchende Partei hat ja nicht nur nicht die Möglichkeit, selbst die Reisekosten eines RA zu finanzieren, ihr fehlt auch die Möglichkeit, einen Anwalt am Gerichtsort auf eigene Kosten auszusuchen.

Ein etwa denkbarer Anwaltswechsel zum jetzigen Zeitpunkt hätte zudem die Folge, dass die Anrechnungsfolge aus Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG nicht eintritt. Die vor- bzw. außergerichtlich hier entstandene Geschäftsgebühr wird nicht auf die Verfahrensgebühr angerechnet, die bei einem anderen Anwalt entsteht. Die um Prozesskostenhilfe nachsuchende Partei würde damit unangemessen benachteiligt werden, weil ihr die Möglichkeit genommen würde, sich im Prozess durch den Anwalt ihres Vertrauens vertreten zu lassen. Um uneingeschränkte Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter unserer Beiordnung wird daher gebeten.

 

Rz. 728

 

Hinweis:

Der BGH hat hier eine Grundsatzentscheidung zur Reisekostenproblematik getroffen. Bitte lesen Sie die Entscheidung des BGH v. 10.10.2006 – XI ZB 1/06, www.­bundesgerichtshof.de – Menüpunkt: Entscheidungen; dort das Aktenzeichen und das Datum eingeben, die Entscheidung ist dann sofort verfügbar.

 

Rz. 729

Es ist davon auszugehen, dass eine Beiordnung des "ortsfremden" RA nur in wenigen Ausnahmefällen erfolgt. Der obige Antrag kann hilfreich sein, es kann aber auch sein, dass trotz dieses Antrags nur eine beschränkte Beiordnung erfolgt ("zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwaltes").

 

Rz. 730

Sie sollten Ihren Auftraggeber auf diese Möglichkeit rechtzeitig hinweisen, da er, bedingt durch die eingeschränkte Beiordnung, Schuldner der Reisekosten und Abwesenheitsgelder ist.

 

Rz. 731

Muster 8.63: Belehrung bei Teil-PKH Beiordnung des auswärtigen RA zum Tarif des ortsansässigen RA

 

Muster 8.63: Belehrung bei Teil-PKH Beiordnung des auswärtigen RA zum "Tarif" des ortsansässigen RA

Anrede,

wie Sie dem in der Anlage beigefügten Beschluss entnehmen können, hat uns das Gericht beigeordnet und Ihnen Prozesskostenhilfe bewilligt. Diese Bewilligung ist jedoch nur in eingeschränkter Weise erfolgt. Unsere Kanzlei befindet sich bekanntlich in _________________________, die Termine zur mündlichen Verhandlungen werden am Gerichtsort in _________________________ stattfinden.

Zu diesem Termin müssen wir anreisen, was Kosten verursacht. Die Beiordnung umfasst diese Kosten nicht. Das Gericht hat eine Beiordnung ausgesprochen, in der klargestellt wurde, dass nur die Kosten an uns gezahlt werden, die entstanden wären, wenn wir am Gerichtsort niedergelassen wären.

Eine so...

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