I. Tarifliche Form

 

Rz. 61

Durch Tarifvertrag kann die Schriftform, die elektronische Form oder eine sonstige Form für den Abschluss von Arbeitsverträgen vorgesehen werden. Allerdings haben solche Vorschriften keine konstitutive Funktion, denn die Tarifvertragsparteien wollen bei Formverstößen nicht die Unwirksamkeit des Arbeitsvertrages.[28]

 

Rz. 62

Demgegenüber haben andere tarifvertragliche Formvorschriften, die sich nicht auf den Arbeitsvertragsschluss beziehen, in der Regel konstitutive Wirkung. Hier führt eine Formverletzung nach § 125 S. 1 BGB zur Nichtigkeit. So wirken beispielsweise tarifvertragliche Abreden, die sich auf die Form eines Fortsetzungsverlangens des Arbeitsverhältnisses[29] oder etwa auf die Vereinbarung von Nebenleistungen beziehen, konstitutiv (zur Abbedingung kraft Betriebsübung siehe unten Rdn 71 ff.).

 

Rz. 63

Die Anwendung von § 125 S. 1 BGB (und nicht § 125 S. 2 BGB) folgt aus der normativen Wirkung des Tarifvertrages (§ 4 Abs. 1 TVG). Das BAG wendet § 125 S. 1 BGB auch dann an, wenn der Tarifvertrag nur kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme gilt.[30] Dem ist m.E. aufgrund des klaren Wortlauts von § 125 S. 2 BGB zu widersprechen; allerdings ergibt sich wegen des Gleichstellungszwecks von Bezugnahmeklauseln aus dieser Unterscheidung im Ergebnis kein Unterschied.

[28] Schaub/Linck, ArbRHdb, § 32 IV Rn 47.
[29] BAG 1.12.2004 – 7 AZR 135/04, EZA § 620 BGB 2002 Bedingung Nr. 3.
[30] BAG 1.12.2004 – 7 AZR 135/04, EZA § 620 BGB 2002 Bedingung Nr. 3; BAG 15.11.1957 – 1 AZR 189/57, AP Nr. 2 zu § 125 BGB.

II. Formvorschriften in Betriebs- und Dienstvereinbarungen

 

Rz. 64

Eine für den Abschluss des Arbeitsvertrages konstitutive Formvorschrift kann nicht durch Betriebs- oder Dienstvereinbarung festgelegt werden, denn die betreffenden Regelungen können keine normative Wirkung für Arbeitnehmer haben, die noch nicht dem Betrieb angehören. Außerdem ist stets zu beachten, dass sich die jeweilige Betriebs- oder Dienstvereinbarung innerhalb der Betriebs- bzw. Dienstvereinbarungsautonomie hält.

III. Arbeitsvertraglich vereinbarte Form; Schriftformklausel

 

Rz. 65

Vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien gem. § 127 Abs. 1 BGB einen Formzwang, so ist durch Auslegung zu ermitteln, ob dessen Einhaltung tatsächlich Wirksamkeitsvoraussetzung sein soll. Ist dies der Fall, so hat der Mangel der durch Rechtsgeschäft bestimmten Form im Zweifel Nichtigkeit zur Folge, § 125 S. 2 BGB.[31] Häufig dürfte sich aber aus den Umständen ergeben, dass die vereinbarte Form keine konstitutive Bedeutung haben soll, sondern nur als Beweismittel gewollt ist.[32]

 

Rz. 66

Nach § 127 Abs. 1 BGB gelten die Bestimmungen des § 126a BGB im Zweifel auch für die vereinbarte elektronische Form. § 127 Abs. 3 S. 1 BGB sieht vor, dass die vereinbarte elektronische Form im Zweifel durch eine andere als eine qualifizierte elektronische Signatur nach § 126a BGB erfüllt werden kann. Nach § 127 Abs. 3 S. 2 BGB kann jede Partei verlangen, dass die Form des § 126a BGB oder, wenn dies nicht möglich ist, die Schriftform nachgeholt wird. Die formelle Gültigkeit des Rechtsgeschäfts bleibt vom Anspruch auf Nachholung unberührt.[33]

 

Rz. 67

Viele Arbeitsverträge enthalten eine Klausel, nach der Nebenabreden, Ergänzungen und Änderungen des Vertrages der Schriftform bedürfen, sog. einfache Schriftformklausel. Verbreitet ist des Weiteren der Zusatz, dass diese Schriftformklausel nicht durch mündliche Vereinbarungen aufgehoben werden kann, sog. "doppelte" Schriftformklausel.

 

Rz. 68

Die Vereinbarung solcher Klauseln ist nach den Grundsätzen der Privatautonomie ohne weiteres zulässig. Die Parteien können – zusätzlich zu den ohnehin geltenden gesetzlichen (z.B. § 623 BGB oder § 14 Abs. 4 TzBfG) und kollektivrechtlichen Formvorschriften – für die Vornahme bestimmter Rechtsgeschäfte oder rechtsgeschäftsähnlicher Handlungen eine bestimmte Form vorschreiben.

 

Rz. 69

Die einfache Schriftformklausel kann jedoch nicht garantieren, dass spätere formlose Vertragsänderungen ausgeschlossen sind. Im Rahmen der Privatautonomie lässt sich das vereinbarte Schriftformerfordernis durch mündliche Abmachungen jederzeit wieder aufheben und die ursprüngliche Vertragsregelung durch eine spätere mündliche Vereinbarung ergänzen und/oder ändern. Denn die Parteien können durch die Vereinbarung einer einfachen Schriftformklausel nicht für alle Zukunft auf ihre Vertragsfreiheit verzichten; das zuletzt Vereinbarte hat deshalb grundsätzlich Vorrang gegenüber früheren Abreden. Dabei ist es nicht einmal erforderlich, dass die Vertragsänderung ausdrücklich vereinbart wird. Vielmehr ist es möglich, das zunächst im Vertrag Vereinbarte trotz einfacher Schriftformklausel konkludent abzuändern, wobei auch eine betriebliche Übung sich über eine einfache Schriftformklausel hinwegsetzen kann.[34] Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von dem Arbeitnehmer in der Regel stills...

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