I. Schriftform nach § 126 BGB und ihre Funktionen

1. Voraussetzungen der Schriftform

 

Rz. 9

Die häufigste im Arbeitsverhältnis angeordnete Form ist die Schriftform. Nach § 126 Abs. 1 und 2 BGB muss die jeweilige formbedürftige Erklärung in einer Urkunde niedergelegt werden. "Urkunde" ist die schriftlich verkörperte Willenserklärung in Gestalt einer Sache (in der Regel eines Schriftstückes), die geeignet und bestimmt ist, im Rechtsverkehr Beweis zu erbringen, und den Aussteller erkennen lässt. Sie muss den Inhalt des Rechtsgeschäfts durch Schriftzeichen darstellen und das gesamte Rechtsgeschäft, soweit es formbedürftig ist, vollständig enthalten. Die Verweisung auf mündliche Abreden ist nicht ausreichend. Nehmen die Parteien Bestimmungen, die wesentliche Bestandteile des Vertrages sein sollen, nicht in den Vertrag selbst auf, sondern lagern sie diese in andere Schriftstücke z.B. als Anlage aus, müssen sie zur Urkundeneinheit die Zusammengehörigkeit dieser Schriftstücke in geeigneter Weise zweifelsfrei kenntlich machen. Dies kann durch eine körperliche Verbindung, aber auch durch Verweisung im Vertrag sowie Unterzeichnung der Parteien auf jedem Blatt der Anlage geschehen.[2]

 

Rz. 10

Ist die Erklärung von mehreren Personen abzugeben (z.B. mehrere Arbeitgeber, die Gesellschafter einer GbR sind), so muss die Unterschrift jedes Einzelnen vorliegen oder eine entsprechende Vertretungsbefugnis offen gelegt werden.[3]

 

Rz. 11

Die Urkunde ist eigenhändig zu unterschreiben. Die Schriftform ist auch dann gewahrt, wenn dem Erklärungsempfänger die Urkunde lediglich zum Durchlesen überlassen wird; ob er das Schriftstück tatsächlich liest, ist unerheblich.[4]

 

Rz. 12

Die Schriftform wird nach §§ 126 Abs. 4, 128 BGB auch durch notarielle Beurkundung ersetzt sowie nach § 127a BGB durch ordnungsgemäß protokollierten Prozessvergleich (vgl. §§ 160 ff. ZPO). Letztere Variante spielt im Arbeitsrecht eine große Rolle, da insbesondere die Auflösung von Arbeitsverhältnissen häufig im Prozess erfolgt. Nach zutreffender Ansicht werden die Anforderungen der §§ 623, 126 Abs. 1, Abs. 4, 127a BGB u.a. auch dann erfüllt, wenn eine vergleichsweise Auflösungsvereinbarung nach § 278 Abs. 6 ZPO zustande kommt.[5]

[3] BAG 21.4.2005 – 2 AZR 162/04, NZA 2005, 865; s. dazu Laws, AuA 2005, 435 f.
[4] BAG 4.11.2004 – 2 AZR 17/04, NZA 2005, 513 = BB 2005, 1007; Straub, NZA 2001, 919, 927; a.A. ErfK/Müller-Glöge, § 14 TzBfG Rn 121.
[5] Dahlem/Wiesner, NZA 2004, 530; zu den Voraussetzungen eines ordnungsgemäßen Vergleichs nach § 278 Abs. 6 ZPO: BGH 14.7.2015 – VI ZR 326/14, NJW 2015, 2965, 2965 ff.

2. Funktionen der Schriftform

 

Rz. 13

Die Informations- bzw. Perpetuierungsfunktion der Schriftform besteht darin, den Inhalt des Rechtsgeschäfts für eine spätere Nachprüfung durch die Parteien bzw. Dritte zu sichern.[6] Sie beruht auf der dauerhaften Darstellung des Inhalts durch die in der Urkunde dargestellten Schriftzeichen.

 

Rz. 14

Mit der Identitätsfunktion soll die Unterschrift die Identität des Ausstellers der Urkunde kenntlich machen.[7] Der Erklärende wird zugleich identifiziert. Der Aussteller der Urkunde und damit der Erklärende setzt durch die Unterschrift ein eindeutig auf seine Person hinweisendes Zeichen auf die Urkunde, durch das seine Person, und sei es durch weitere Umstände und mit Mühe, ermittelt werden kann.

 

Rz. 15

Die Abschlussfunktion der Schriftform besteht darin, dass der Erklärende durch die Unterzeichnung der Erklärung die Vollständigkeit des Textes sowie den Abschluss des Prozesses der Bildung und Formulierung des rechtsgeschäftlichen Willens dokumentiert.

 

Rz. 16

Die Schriftform hat eine Präzisierungs- bzw. Klarstellungsfunktion in der Weise, dass sie die Parteien zwingt, das Gewollte in einer als maßgeblich gekennzeichneten Formulierung zu fixieren. Konkludente Erklärungen sind hiermit weitgehend ausgeschlossen.

 

Rz. 17

Die Schriftform hat insbesondere eine Beweisfunktion:

Beweis für den Inhalt der Erklärung,
Beweis für den Urheber und
Beweis für die Abgabe der Erklärung.
 

Rz. 18

Durch die Notwendigkeit der eigenhändig unterschriebenen Urkunde trägt die Schriftform dazu bei, dass aufgrund der Merkmale der Urkunde und sonstiger Umstände, die mit dem Erstellen der Urkunde verbunden sind, für den Besitzer der Urkunde eine gute Aussicht besteht, den Nachweis zu führen, dass der angebliche Aussteller tatsächlich die Urkunde ausgestellt und die verkörperte Erklärung abgegeben hat.

 

Rz. 19

Die Schriftform hat Signal- bzw. Hinweisfunktion, indem sie auf eine besondere rechtliche Bedeutung des formbedürftigen Rechtsgeschäfts aus Sicht des Gesetzgebers hinweist. Denn mit der Formbedürftigkeit ist eine Unterscheidung zwischen besonders wichtigen oder risikoreichen und sonstigen, formfreien Rechtsgeschäften getroffen.

 

Rz. 20

Die Warnfunktion der Schriftform ergibt sich aus der tatsächlichen und rechtlichen Bedeutung der unterschriebenen Urkunde und dem Bewusstsein des Ausstellers von dieser Bedeutung. Die Schriftform macht den Erklärenden auf die erhöhte rech...

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