Rz. 123

Der Bundesgerichtshof hat sich in mehr als 40 Verfahren mit dem Unfallersatztarif befasst und es stets abgelehnt, sich für einen der beiden Mietpreisspiegel zu entscheiden.[143] Er führt aus, dass die Höhe des Schadenersatzanspruchs in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders freigestellten Tatrichters sei. Die Art der Schätzungsgrundlage gebe § 287 ZPO nicht vor, sodass der Tatrichter nicht daran gehindert sei, seiner Schätzung die Schwacke-Liste oder den Fraunhofer Mietpreisspiegel zugrunde zu legen. Im Rahmen seines Ermessens könne er Abschläge oder Zuschläge vornehmen. Die Grenzen des tatrichterlichen Ermessens im Rahmen von § 287 würden jedoch überschritten, wenn durch Vergleichsangebote nachgewiesen werde, dass der Normaltarif zum Zeitpunkt der Anmietung deutlich günstiger gewesen wäre.

 

Rz. 124

Erstmalig im Oktober 2004 hat der Bundesgerichtshof erkannt, dass im Unfallersatzgeschäft Mietpreise verlangt werden, die weit über den marktüblichen Preisen im Selbstzahlergeschäft liegen. Es wurden Preise festgestellt, die um 465 % über dem Normaltarif lagen.[144] Seit 2004 hat der Bundesgerichtshof sich in mehr als 40 Entscheidungen zur Erstattungsfähigkeit des Unfallersatztarifs geäußert. Diese Rechtsprechung lässt sich wie folgt zusammenfassen:

Der Geschädigte kann als erforderlichen Herstellungsaufwand nur den Ersatz der Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte darf von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt erhältlichen Tarifen grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis verlangen.[145]
Der Geschädigte muss beweisen, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnismöglichkeit auf dem örtlich relevanten Markt kein wesentlich günstigerer Tarif zugänglich war.[146]
Sowohl der Fraunhofer-Mietpreisspiegel als auch der Schwacke-Mietpreisspiegel sind eine geeignete Grundlage für die Schätzung der erforderlichen Mietwagenkosten.[147]
Wenn der Versicherer durch konkrete Vergleichsangebote nachweist, dass die örtlichen Mietpreise deutlich unter den Preisen des Schwacke-Mietpreisspiegels liegen, sind die tatsächlichen örtlichen Verhältnisse durch Beweisaufnahme zu ermitteln. Auch aktuelle Vergleichsangebote sind zu berücksichtigen, da die Mietwagenkosten in den vergangenen Jahren nicht gefallen, sondern allenfalls gestiegen sind.[148]
[143] BGH, VI ZR 316/11, r+s 2013, 149 mit umfassender Rechtsprechungsübersicht, Wellner, BGH-Rechtsprechung zum Kfz-Sachschaden, § 5 Rn 198.
[144] BGH, XII ZR 50/04, NJW 2006, 2618 = NZV 2006, 528 = VersR 2006, 1274 = r+s 2006, 391 = zfs 2006, 621.
[145] BGH, VI ZR 300/09, zfs 2011, 441 = r+s 2011, 266 m.w.N., Wellner, BGH-Rechtsprechung zum Kfz-Sachschaden, § 5 Rn 141.
[146] BGH, VI ZR 210/07, r+s 2009, 17 = VersR 2009, 83, Wellner, BGH-Rechtsprechung zum Kfz-Sachschaden, § 5 Rn 72; BGH, VI ZR 300/09, zfs 2011, 441 = r+s 2011, 266, Wellner, BGH-Rechtsprechung zum Kfz-Sachschaden, § 5 Rn 141; LG München II, 2 S 4044/11, DAR 2013, 34.
[147] BGH, VI ZR 300/09, zfs 2011, 441 = VersR 2011, 769, Wellner, BGH-Rechtsprechung zum Kfz-Sachschaden, § 5 Rn 141; BGH, VI ZR 142/10, zfs 2011, 497 = MDR 2011, 845 = VersR 2011, 1026, Wellner, BGH-Rechtsprechung zum Kfz-Sachschaden, § 5 Rn 160.
[148] BGH, VI ZR 300/09, zfs 2011, 441 = VersR 2011, 769, Wellner, BGH-Rechtsprechung zum Kfz-Sachschaden, § 5 Rn 141; BGH, VI ZR 142/10, zfs 2011, 497 = MDR 2011, 845 = VersR 2011, 1026, Wellner, BGH-Rechtsprechung zum Kfz-Sachschaden, § 5 Rn 160.

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