Rz. 73

Die sachliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ist für die Klage wie für die Widerklage jeweils gesondert zu beantworten.

 

Rz. 74

Eine Zusammenrechnung der Gegenstandswerte für Klage und Widerklage erfolgt nach § 5 Hs. 2 ZPO jedoch nicht. Maßgeblich für die Zuständigkeit des Gerichts ist grundsätzlich der höhere Streitwert von Klage oder Widerklage.

 

Rz. 75

Daraus ergeben sich drei Grundkonstellationen:

Wurde bereits die Klage aufgrund eines 5.000 EUR übersteigenden Streitwertes nach §§ 23, 71 GVG beim Landgericht erhoben, führt die Widerklage, unabhängig von deren Streitwert, zu keiner Änderung der sachlichen Zuständigkeit. Dies folgt aus § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO.
Wurde die Klage dagegen ursprünglich beim Amtsgericht erhoben, so bleibt das Amtsgericht für den Rechtsstreit über Klage und Widerklage sachlich zuständig, solange der Wert der Widerklage für sich allein betrachtet ebenfalls den Wert von 5.000 EUR nach §§ 23, 71 GVG nicht übersteigt. Mehrere mit der Klage oder der Widerklage geltend gemachte Ansprüche, etwa solche auf materiellen und immateriellen Schadensersatz sind dabei nach § 5 S. 1 ZPO zusammenzurechnen.
Wurde die Klage beim Amtsgericht wegen eines 5.000 EUR nicht übersteigenden Streitwertes der Klage erhoben und übersteigt nun der Wert der Widerklage diese nach §§ 23, 71 GVG maßgebliche Grenze, so ergibt sich über den nunmehr höheren Wert der Widerklage die Zuständigkeit des Landgerichts.[50] Die Parteien müssen einen entsprechenden Verweisungsantrag stellen. Anderenfalls kann die Zuständigkeit durch rügelose Einlassung begründet werden.
 

Rz. 76

Nur in der letzten Konstellation ändert sich nun die sachliche Zuständigkeit weg vom Amtsgericht, hin zum Landgericht, mit der Folge, dass auch die Zuständigkeit für ein mögliches Berufungsverfahren vom Landgericht zum Oberlandesgericht wechselt.

 

Rz. 77

Das Amtsgericht muss bei einem 5.000 EUR übersteigenden Streitwert der Widerklage nach § 504 ZPO die Parteien auf seine sachliche Unzuständigkeit hinweisen. Auf Antrag einer Partei, d.h. des Klägers und Widerbeklagten oder des Beklagten und Widerklägers hat es sich für sachlich unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit dann nach § 506 ZPO an das örtlich und sachlich zuständige Landgericht zu verweisen.

 

Rz. 78

 

Hinweis

Dies bedeutet, dass der Beklagte als Widerkläger auf die Zuständigkeit des Gerichts durch die Erhebung der Widerklage mit einem über 5.000 EUR liegenden Streitwert oder aber auch nur mit einer Teilwiderklage mit einem Streitwert unter 5.000 EUR auf die Zuständigkeit des Gerichts Einfluss nehmen kann.

Dabei erschöpft sich die Einflussnahme nicht nur in der Zuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichts, sondern wirkt sich auch auf die sich daran anschließenden Zuständigkeit des Berufungsgerichts aus. Wird die Widerklage so erhoben, dass die Klage bei dem Amtsgericht verbleibt, so ist als Berufungsgericht das Landgericht zuständig. Wird dagegen die Widerklage so ausgestaltet, dass ihr eigenständiger Wert die Zuständigkeit des Landgerichts begründet, weil der Zuständigkeitswert 5.000 EUR übersteigt, so wird das Landgericht in erster Instanz und in der weiteren Folge das Oberlandesgericht als Berufungsgericht zuständig.

 

Rz. 79

Ein Problem ergibt sich allerdings dann, wenn das Amtsgericht gem. § 23 Nr. 2 GVG ausschließlich sachlich zuständig ist und nunmehr eine Widerklage erhoben wird, die schon für sich die sachliche Zuständigkeit des Landgerichtes nach §§ 23 Nr. 1, 71 GVG begründet. In diesem Fall hält das OLG München[51] eine Verweisung nach § 506 ZPO an das Landgericht nicht für möglich. In Betracht komme allein eine Trennung des Prozesses und eine isolierte Verweisung der Widerklage an das sachlich zuständige Landgericht, wenn sich nicht der Kläger rügelos auf die Widerklage einlässt. § 33 ZPO begründe nur eine besondere örtliche, nicht aber auch eine besondere sachliche Zuständigkeit. In der Praxis muss diese Situation in Betracht gezogen werden. Es besteht natürlich immer die Möglichkeit, dass sich der Kläger hinsichtlich der fehlenden sachlichen Zuständigkeit rügelos einlässt; beispielsweise aus prozessökonomischen oder kostenrechtlichen Gründen.

 

Rz. 80

Ist die sachliche und örtliche Zuständigkeit im Sinne der vorstehenden Vorschriften bei dem mit der Klage angerufenen Gericht begründet, so ergeben sich im Weiteren keine Probleme.

 

Rz. 81

Ist die Zuständigkeit nicht begründet und wird die Verweisung nicht beantragt, führt dies allerdings nicht zwangsläufig zur Abweisung der Widerklage als unzulässig.

 

Rz. 82

Vielmehr ist es möglich, dass sich der Kläger und Widerbeklagte gem. §§ 39, 295, 504 ZPO rügelos zur Sache einlässt, obwohl er auf die fehlende sachliche Zuständigkeit des mit der Klage angerufenen Gerichts hingewiesen wurde.

 

Rz. 83

 

Praxistipp

Insoweit kann der Beklagte sich auch darauf beschränken, die sachliche Unzuständigkeit anzusprechen, ohne zumindest hilfsweise einen ausdrücklichen Verweisungsantrag zu stellen und den Kläger insoweit aufzufordern, sich rügelos einzulass...

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