Rz. 8

Die Widerklage kommt zunächst insbesondere dann in Betracht, wenn eine Aufrechnung aufgrund vertraglicher Vereinbarungen[1] oder aufgrund des Gesetzes nicht möglich ist. So findet sich in vertraglichen Abreden häufig eine Vereinbarung dahingehend, dass gegen die vertraglich begründeten Ansprüche eine Aufrechnung mit bestrittenen und/oder nicht rechtskräftig festgestellten Forderungen nicht möglich ist.

 

Rz. 9

 

Hinweis

Soweit keine gesetzlichen Regelungen entgegenstehen, sind solche vertraglichen Aufrechnungsverbote grundsätzlich wirksam. Soweit diese in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten sind, sind die §§ 307, 309 Nr. 3 BGB zu beachten.[2] Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass eine Klausel, welche die Aufrechnung mit synallagmatisch verknüpften Ansprüchen (z.B. Gewährleistungsansprüche aus Kauf-, Miet- oder Werkvertrag) ausschließt, gegen § 309 Nr. 3 BGB verstößt und daher unwirksam ist.[3] Dies gilt auch wenn eine Klausel eines Geschäftsraummietvertrags die Aufrechnung ausschließlich auf Gegenforderungen aus betroffenen Vertrag begrenzt.[4] Für die Beurteilung, ob sich ein Kläger auf ein Aufrechnungsverbot berufen kann, ist dabei das Regelwerk der Klageforderung und nicht dasjenige der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung maßgebend.[5]

 

Rz. 10

Aufrechnungsverbote können dabei auch in bestimmten Klauseln verborgen sein:

"netto Kasse gegen Rechnung und Verladepapiere",[6]
"Kasse gegen Verladedokumente",[7]
"binnen sieben Tagen rein netto Kasse ohne Abzug",[8]
"Lieferung gegen Scheck",[9]
"cash on delivery".[10]
 

Rz. 11

Gesetzliche Aufrechnungsverbote können sich etwa aus §§ 390 ff. BGB ergeben. Darüber hinaus können Aufrechnungsverbote auch in den jeweils einschlägigen Normkomplexen enthalten sein, wie etwa die Aufrechnungsverbote des § 719 Abs. 2 BGB und des § 96 InsO.

 

Rz. 12

Eine Widerklage ist insbesondere auch dann in Betracht zu ziehen, wenn der Beklagte und eigene Mandant davon ausgeht, dass ihm eine Forderung zusteht, die der Höhe nach die Klageforderung übersteigt. In diesem Fall kann eine Aufrechnung nur bis zur Höhe der Klageforderung erfolgen. Der überschießende Teil müsste sodann im Wege der Widerklage geltend gemacht werden. Geschieht dies nicht, besteht die Gefahr, dass der überschießende Betrag, der nicht von der Aufrechnung erfasst wird, verjährt.

 

Rz. 13

 

Hinweis

In diesem Fall ist es möglich, dass der Beklagte zunächst seine Gegenforderung in Höhe der Klageforderung – ggf. hilfsweise – zur Aufrechnung stellt und nur hinsichtlich des überschießenden Betrages die Widerklage und hinsichtlich des hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Betrages Hilfswiderklage erhebt.

 

Rz. 14

Ein besonderer Vorteil der Widerklage kann in der Kostengestaltung liegen. So ist die Widerklage als ein Instrument zur endgültigen Erledigung eines streitigen Rechtsverhältnisses i.d.R. günstiger als die Erhebung einer gesonderten Einzelklage. Denn aufgrund der Degressivität der Gebührentabelle steigen die Gerichts- und Rechtsanwaltskosten nicht linear zum Gebührenstreitwert, sondern in geringerem Umfang. Obwohl nach § 45 Abs. 1 GKG der Wert der Klage und der Widerklage für die Feststellung des Gebührenstreitwertes zusammengerechnet werden, sind die 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV und die 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV aus dem so erhöhten Streitwert günstiger, als wenn je eine Verfahrensgebühr und eine Terminsgebühr aus dem niedrigeren Streitwert der Klage und eine entsprechende Gebühr aus dem ebenfalls niedrigeren Streitwert einer gesonderten Klage des Beklagten anfallen würden.

 

Rz. 15

 

Hinweis

Auf diesen Umstand einer kostengünstigen Prozessführung muss der Rechtsanwalt den Mandanten hinweisen. Der Hinweis muss sich auch darauf erstrecken, dass bei einer Kombination aus Klage und Widerklage der weitere Vorteil besteht, dass regelmäßig nur eine Beweisaufnahme stattfindet und auch insoweit Kosten erspart werden. Dies gilt insbesondere bei der Notwendigkeit der Einholung eines Sachverständigengutachtens. Auch wenn die Beweisgebühr mit der Einführung des RVG entfallen ist, dürfen die sonstigen Kosten der Beweisaufnahme wie die Sachverständigenkosten und die Zeugenauslagen nicht vernachlässigt werden.

 

Rz. 16

Weiter ist zu berücksichtigen, dass bei einer Drittwiderklage sich der über die Widerklage in den Prozess einbezogene Dritte regelmäßig von dem Bevollmächtigten des Klägers vertreten lässt, also hinsichtlich des Drittwiderbeklagten lediglich die Erhöhungsgebühr der Nr. 1008 VV entsteht, nicht aber – wie in einem gesonderten Prozess – die volle Gebühr. Anders wäre dies allerdings in Fällen der isolierten Drittwiderklage, die sich ausschließlich gegen einen Dritten richtet. In einem solchen Fall wird der Dritte regelmäßig einen eigenen Prozessbevollmächtigten engagieren, sodass die Prozesskosten steigen.

 

Rz. 17

Als weiterer Vorteil der Widerklage ist zu nennen, dass sie ein wirksames Instrument ist, um eine endgültige Klärung des streitigen Rechtsverhältnisses herbeizuführen. Dies gilt insbe...

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