Rz. 1

Unser Rechtssystem kennt drei Arten von Werten:

Zuständigkeitswert,
Rechtsmittelwert und
Kostenwert.

Der Zuständigkeitswert gibt die Abgrenzung für die sachliche Zuständigkeit zwischen Amtsgericht und Landgericht an. Dieser Wert ist im Familienrecht ohne Bedeutung, weil Eingangsgericht immer das Amtsgericht ist.

Der Rechtsmittelwert gibt an, von welchem Wert an ein Rechtsmittel statthaft ist. In Familiensachen gilt § 61 FamFG: In vermögensrechtlichen Angelegenheiten muss der Wert 600,00 EUR übersteigen (§ 61 Abs. 1 FamFG), § 113 FamFG, § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Der dritte dieser Werte ist der Kostenwert. Der Kostenwert für die Gerichtskosten in Familiensachen ist ausschließlich (§ 1 Abs. 1 S. 1 FamGKG) "nur" dem FamGKG zu entnehmen. Es gibt keine Verweisung auf andere Gesetze. Wenn im FamGKG nichts Einschlägiges steht, ist § 42 FamGKG als Auffangtatbestand anzuwenden.

 

Rz. 2

Zum Kostenwert in Familiensachen für die Anwaltsgebühren:[1]

Neben den §§ 2, 13, 22 RVG gilt die allgemeine Wertvorschrift § 23 RVG als Schlüsselbestimmung.

(1) § 23 Abs. 1 RVG betrifft Sachen, die gerichtlich ausgetragen werden oder gerichtlich ausgetragen werden könnten und verweist demzufolge – auch insoweit ausschließlich – ins FamGKG. Soweit das RVG nicht selbst auf andere Bestimmungen verweist, gibt es also in Familiensachen i.S.d. § 111 FamFG keine Anwendung anderer Kostengesetze, die Wertvorschriften enthalten, wie das GKG, die ZPO oder das GNotKG. Wenn die §§ 33 bis 52 FamGKG nichts aussagen, greift immer, wenn es sich um Angelegenheiten handelt, die gerichtlich ausgetragen werden sollen oder doch könnten, § 42 FamGKG als Auffangtatbestand ein.

(2) In Fällen, in denen ein Gerichtsverfahren nicht möglich ist, gilt § 23 Abs. 3 RVG. § 23 Abs. 3 RVG sieht folgende Stufenleiter vor:

Wertvorschriften im RVG selbst (im Familienrecht gibt es keine solchen Wertvorschriften),
die in § 23 Abs. 3 RVG genannten Bestimmungen des GNotKG,
feststehender Wert,
billiges Ermessen,
Schätzung, wenn in vermögensrechtlichen Angelegenheiten genügend Anhaltspunkte vorhanden sind,
+/– 5.000,00 EUR, max. 500.000,00 EUR, wenn in nichtvermögensrechtlichen oder in vermögensrechtlichen Sachen keine genügenden Anhaltspunkte für eine Schätzung vorliegen.
 

Rz. 3

 

Beispiel 1

Das Amtsgericht hat statt der beantragten 400,00 EUR monatlichen Unterhalt nur 380,00 EUR zugesprochen. Ist gegen diesen Beschluss eine Beschwerde zum OLG möglich?

Es geht um den Rechtsmittelwert; das FamGKG ist ein Gesetz für die Kostenberechnung und nicht für den Rechtsmittelwert. Daher ist der Wert keinesfalls 12 x 20,00 EUR (Abweichung vom Antrag: 400,00 EUR – 380,00 EUR = 20,00 EUR), weil § 51 Abs. 1 FamGKG für die Kosten und nicht für den Rechtsmittelwert gilt. § 9 ZPO, der den Rechtsmittelwert für Zivilprozessverfahren angibt, ist entweder direkt oder analog anzuwenden (direkt, wenn § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG so zu verstehen ist, dass die dort genannten Vorschriften der ZPO gelten, unabhängig davon, welche Bestimmungen in § 113 Abs. 1 S. 1 FamFG von der Anwendung in Ehesachen und Familienstreitsachen ausgenommen sind; analog, wenn man das nicht annimmt, im Hinblick auf das Fehlen anderweitiger Bestimmungen aber auf § 9 ZPO zurückgreift und ihn analog anwendet).

Die Beschwerde ist also statthaft (42 Monate × 20,00 EUR = 840,00 EUR).

Für die Fälle mit feststehendem Wert (Zugewinnausgleichsforderung; Unterhaltsrückstände, Forderungen, die sonstige Familiensachen sind) gilt unproblematisch die Höhe der Forderung; für Beschwerden in nicht vermögensrechtlichen Streitigkeiten bedarf es keines Wertes.

 

Rz. 4

 

Beispiel 2

Der Anwalt ist beauftragt, eine Schmerzensgeldrente aus einem Unfall geltend zu machen und klagt i.H.v. 500,00 EUR monatlich.

Es handelt sich nicht um eine Familiensache. Der Gebührenwert ist über § 23 Abs. 1 RVG, § 48 Abs. 1 GKG aus § 9 ZPO zu entnehmen und beträgt 500,00 EUR.

 

Rz. 5

 

Beispiel 3

Der Anwalt ist beauftragt, für einen Heiratswilligen einen güterrechtlichen Ehevertrag vorzubereiten, den der Notar dann beurkunden soll.

Es gibt keinen Rechtsanspruch auf einen solchen Ehevertrag, der eingeklagt werden könnte, also gilt § 23 Abs. 3 RVG, der auf § 100 GNotKG verweist.

(Wenn es sich um den Entwurf einer letztwilligen Verfügung gehandelt hätte: § 102 GNotKG.)

 

Rz. 6

 

Beispiel 4

Der Anwalt ist beauftragt, in einer Scheidungsvereinbarung nachehelichen Unterhalt und Güterrecht zu regeln.

Beide Ansprüche können gerichtlich geltend gemacht werden. Für den Kostenwert ist § 23 Abs. 1 RVG zuständig, der in die entsprechenden Vorschriften im FamGKG verweist (§§ 35, 51 für den Unterhalt, § 35 für die Zugewinnforderung).

 

Rz. 7

Der Wert des "Gegenstandes" bestimmt die Höhe der Gebühr. Enthält die Angelegenheit mehrere Gegenstände, bestimmt im Grundsatz die Summe aller Werte die Gebühr (§§ 2, 13, 22 RVG; für die Gerichtskosten ebenso §§ 33 Abs. 1 S. 1, 44 Abs. 1 FamGKG). Von diesem Grundsatz der Addition gelten allerdings viele Ausnahmen.[2] So gilt z.B. nur ein Wert, nämlich der höhere, beim...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge