1. Allgemeines

 

Rz. 32

Beim Schadenersatz-Rechtsschutz ist gem. § 2 lit. a ARB 2010 das Kausalereignis maßgebend.

 

Rz. 33

Die Definition orientiert am Folgeereignis oder am Kausalereignis kann vielfach wichtig sein und den Vorvertragseinwand begründen oder nicht. Diese Thematik gehört "sicherlich zu den Herzstücken einer Rechtsschutzstreitigkeit".[19]

 

Rz. 34

Die maßgebende Regelung enthält § 4 Abs. 1 ARB 2010, speziell auch für den Fall, dass Schadenursache und Schadeneintritt zeitlich zusammenfallen. Dies ist sicherlich bei den meisten Verkehrsunfällen gegeben. Jedenfalls ist maßgebend nicht das Folgeereignis, sondern das Kausalereignis. Dies verdeutlicht auch das nachstehend aufgeführte Beispiel.

 

Beispiel

Ein Grundstück ist durch Altlasten, etwa durch Chemikalien oder Wasserverschmutzung, belastet. Dies wird aber erst zu einem späteren Zeitpunkt Dritten, speziell Medien, bekannt, die alsdann nach längerer Zeit davon erfahren und berichten. Um einem sich hiernach ergebenden Schaden infolge eines Wertverlustes des Grundstückes zu begegnen, schließt der Betroffene eine Rechtsschutzversicherung ab.

 

Rz. 35

Im vorgenannten Beispielfall würde nach der Folge der Ereignistheorie Rechtsschutz bestehen zu dem Zeitpunkt, zu dem möglicherweise ein schadenauslösender Bericht erfolgt. Nach der Kausalereignistheorie wäre der Rechtsschutzfall zu definieren auf den Zeitpunkt, in dem erstmals Kenntnis erlangt wurde von der Kontaminierung.[20]

 

Rz. 36

Die der Regelung des § 4 Abs. 1 lit. a 2010 zugrunde liegende Kausalereignistheorie ist angelehnt an die entsprechende Regelung bei der Allgemeinen Haftpflicht.[21] Die gleichen Grundsätze gelten auch für Gefährdungshaftung.

 

Beispiel

Jemand erwirbt am 1.3. einen Kampfhund, den er zum 1.5. versichert. Dieser Kampfhund verletzt am 1.9. eine Person.

Der Rechtsschutzfall ist nicht zu datieren auf das Datum des Erwerbes des Kampfhundes am 1.3., sondern auf den 1.9., weil sich zu diesem Datum die Tiergefahr realisiert.[22]

[19] Wendt, Strukturen der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Rechtsschutzversicherung (Teil I), r+s 2006, 1 (3) mit der Darstellung von Rechtsschutzfällen "Reemtsma-Fall", BGH VersR 2003, 638 f., "Report-Fall" BGH VersR 2002, 1503 f., "Schlemmer-Bild-Fall" BGH, Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren, Beschl. v. 2.4.2003 – IV ZR 332/02.
[20] Vgl. zu diesem Beispiel und weiteren Beispielen Harbauer/Maier, ARB 2000, § 4 Rn 3.
[21] Prölss/Armbrüster, ARB 94, § 4 Rn 3 unter Hinweis auf den verwendeten Begriff des "Ereignisses", jetzt "Schadenereignis" im Sinne des haftungsbegründenden Verstoßes.
[22] Harbauer/Maier, ARB 2000, § 4 Rn 3.

2. Der Rechtsschutzfall beim Schadenersatz-Rechtsschutz gem. § 2 lit. a ARB 2010, Einzelfälle

 

Rz. 37

Bei einem ärztlichen Kunstfehler ist nach der Kausalereignistheorie auf diesen und nicht auf den daraus resultierenden Körperschaden abzustellen.[23]

 

Beispiel

Ein Arzt verschreibt einem Patienten Sucht verursachende Medikamente. Es kommt zu Folgen, etwa weiterer Erkrankung.

Bei Verschreibung Sucht verursachender Medikament ist Schadenereignis nach der Kausalereignistheorie die Verschreibung, nicht erst der Beginn der Suchtabhängigkeit.[24]

 

Rz. 38

 

Beispiel: Schadenersatzklage gegen Zigarettenhersteller

Der Versicherungsnehmer einer Rechtsschutzversicherung wird durch Nikotingenuss geschädigt und will Schadenersatzansprüche gegen einen Zigarettenhersteller geltend machen.

Bei einer solchen Fallgestaltung kommen mehrere Zeitpunkte zur Definition des Rechtsschutzfalles in Betracht, nämlich Unterlassen von Warnhinweisen, Beimischung von Suchtmitteln, Beginn der Nikotinsucht und/oder suchtbedingter Herzinfarkt.

 

Rz. 39

Zu vorgenannter Fallgestaltung hat der BGH im Anschluss an ein früher zu § 4 Abs. 1 lit. a ARB 94 ergangenes Urteil entschieden, dass nur ein Ereignis als Versicherungsfall in Betracht kommen könne, für das der Schadenersatzpflichtige gegen den Versicherungsnehmer Ansprüche erhebt, und zwar in haftungsrechtlich zurechenbarer Weise. In diesem Fall kommt es darauf an, mit welchem Tatsachenvortrag der Versicherungsnehmer den Schadenersatzanspruch begründet.[25]

[23] Harbauer/Maier, ARB 2000, § 4 Rn 3.
[24] Harbauer/Maier, ARB 2000, § 4 Rn 3 mit weiteren Beispielen.
[25] BGH NJW 2003, 1936 = VersR 2003, 638 = r+s 2003, 363; vgl. auch Bauer, Rechtsentwicklung der ARB 2004, NJW 2004, 1507 (1508); vgl. hierzu auch LG Hannover Forum Versicherungsrecht 2000, 16.

3. Auslegungsgrundsätze

 

Rz. 40

Die Definition des "Begriffs des ersten Schadenereignisses" i.S.v. § 4 Abs. 1 lit. a ARB 2010 kann sicherlich im Einzelfall zu unterschiedlichen Auslegungsergebnissen führen. Zu den Grundsätzen der Auslegung hat das OLG Nürnberg[26] entschieden: Die Auslegung des Begriffs des ersten Schadenereignisses i.S.v. § 4 Abs. 1 lit. a ist zur Vermeidung eines absurden Ergebnisses nur möglich, wenn die anerkannten Auslegungsmethoden der "gesetzesähnlichen" Auslegung angewendet werden. Eine solche Auslegung ist aber nur dann zulässig, wenn sich diese zugunsten des VN auswirkt.

 

Rz. 41

Eine solche Auslegung ergibt sich bei der Interpretation des § 4 Abs. 1 lit. a ARB 2010. Das "erste Schadenereignis" im Sinne...

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