Rz. 62

Ergibt sich ein Rechtskonflikt aus einer Kette von Rechtsverstößen, so gilt gem. § 4 Abs. 2 S. 2 ARB 2010 der erste tatsächliche oder behauptete Verstoß als Rechtsschutzfall. Es gilt jedoch die Einschränkung, dass er nicht länger als ein Jahr vor Versicherungsbeginn eingetreten ist.

In der Praxis ist die Thematik mehrerer Rechtsverstöße von Bedeutung für den Bereich des Miet- und Arbeitsrechtes.

 

Rz. 63

Zu beachten ist, dass Rechtsschutzfälle, die länger als ein Jahr vor Beginn des Versicherungsvertrages liegen, gem. § 4 Abs. 2 S. 2 ARB 2010 außer Betracht bleiben.

 

Beispiel aus dem Mietrecht

Der VN als Mieter erhält die Kündigung, gestützt auf ein Ereignis, das nach Eintritt der Wartezeit eingetreten ist, also nicht vorvertraglich ist, etwa Mietrückstand. Andererseits wird zusätzlich ausgeführt, dass vor länger als einem Jahr ebenfalls ein Rückstand gegeben war. Das letzte Ereignis bleibt bei der Beurteilung der etwaigen Vorvertraglichkeit außer Betracht.

 

Rz. 64

Ein Verstoß liegt vor, wenn ein Sozialversicherungsträger eine wegen eines Unfalls beantragte Berufsunfähigkeitsrente ganz oder teilweise ablehnt. Bei mehreren Verstößen ist für den Eintritt des Rechtsschutzfalles auf den zeitlich ersten adäquat kausalen Verstoß abzustellen.[48]

 

Beispiel

Von einem einheitlichen Rechtsschutzfall ist auszugehen, wenn die Berufsgenossenschaft mehrere Jahre nach dem ersten, von dem Versicherungsnehmer angegriffenen Bescheid nach Einholung eines neuen Sachverständigengutachtens eine Rente wegen desselben Unfallereignisses erneut ablehnt. Für die Klage gegen den zweiten Bescheid ist deshalb Rechtsschutz zu gewähren, auch wenn bei Erteilung des zweiten Bescheides das Versicherungsverhältnis bereits beendet war.[49]

 

Rz. 65

Besteht ein Rechtsschutzfall nicht lediglich aus einem Ereignis, sondern führen mehrere Ereignisse kumulativ zu einem Rechtsschutzfall, so stellt sich die Frage: welcher Zeitpunkt ist maßgebend?

 

Beispiel

Für den Versicherungsnehmer ergeben sich über einen Zeitraum von mehreren Jahren Eintragungen von Verkehrsverstößen mit entsprechenden Eintragungen nach dem Punktesystem. Kommt es erst zu einer Führerscheinmaßnahme, nachdem ein bestimmter Punktestand (aktuell 8 Punkte) erreicht ist, und werden alsdann Maßnahmen gegen den Versicherungsnehmer als Inhaber der Fahrerlaubnis eingeleitet, so stellt sich die Frage: welcher Verstoß ist maßgebend?

 

Rz. 66

Zum vorgenannten Beispiel ist darauf hinzuweisen, dass jetzt auch für den Verwaltungs-Rechtsschutz in Verkehrssachen gem. § 2 lit. g ARB 2010 der erste Verstoß maßgebend ist. Dieses Ergebnis erscheint jedoch rechtlich problematisch, weil die Maßnahme der Fahrerlaubnisbehörde erst ausgelöst wird durch die erreichte Punktzahl, welche Voraussetzung für die Maßnahme ist, die den Rechtsschutzfall begründet.[50] Im Ergebnis ist festzustellen, dass beim Entzug der Fahrerlaubnis aufgrund der 8-Punkte-Regelung nur dann Rechtsschutzdeckung besteht, wenn sich der erste Verkehrsverstoß nach Versicherungsbeginn ereignet hat. Dies erscheint bedenklich, da die rechtliche Maßnahme erst eingeleitet wird und eingeleitet werden kann bei Erreichen der 8-Punkte-Grenze.[51]

 

Rz. 67

Ergeben sich aus einem Sachverhalt mehrere Rechtsschutzfälle, kann dies als "Serienschaden" bezeichnet werden.

 

Beispiel

Bei einem Verkehrsunfall wird der Versicherungsnehmer einer Rechtsschutzversicherung verletzt. Er meldet nach diesem Verkehrsunfall Invaliditätsansprüche aus 5 bei verschiedenen Versicherern abgeschlossenen Unfallversicherungen an.[52] Ein beklagter Rechtsschutzversicherer zahlte einmal die vereinbarte Versicherungssumme aus und lehnte für die beabsichtigten 5 Rechtsstreitigkeiten eine weitere darüber hinausgehende Kostendeckung ab. Das Bearbeitungsergebnis des führenden Versicherers wurde zur gemeinsamen Entscheidungsgrundlage für die weitergehende Ablehnung.

 

Rz. 68

Mit einer Fallgestaltung, wie vorstehend beispielhaft dargestellt, musste sich der Bundesgerichtshof beschäftigen.[53] Eine Fallgestaltung, bei der sich aus einem Ereignis mehrere Rechtsschutzfälle ergeben, kann als "Serienschaden" bezeichnet werden. Bei Ablehnung der Rechtsschutzdeckung kommt es nicht auf den Verkehrsunfall als Ereignis an, da dieser dem Unfallversicherer nicht angelastet wird. Vielmehr ist der zeitliche und sachliche Zusammenhang darin zu sehen, dass das Bearbeitungsergebnis des führenden Versicherers als gemeinsame Entscheidungsgrundlage zu sehen ist.[54] Im Übrigen ist die vereinbarte Versicherungssumme die Höchstgrenze für Leistungen aufgrund mehrerer Versicherungsfälle entsprechend der Regelung des § 5 Abs. 4 ARB 2010.

[48] OLG Frankfurt zfs 2001, 132.
[49] OLG Frankfurt zfs 2001, 132.
[50] Zur Rechtsschutzdeckung im Verkehrs-Verwaltungs-Rechtsschutz vgl. Buschbell/Utzelmann, § 11 Rn 8. Durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer Gesetze (5. StVGuaÄndG) vom 28. 8. 2013, BGBl I, S. 3313, Geltung ab 1. 5. 2014, wurde das Punktesystem reformiert. Der Begriff "Verkehrszentralregister" ...

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