Rz. 16

Handelt es sich bei der pflegenden Person um einen Abkömmling des Erblassers, dann kann im Falle des Todes eine Ausgleichung der erbrachten Pflegeleistung nach der Vorschrift des § 2057a Abs. 1 S. 2, 1 BGB erfolgen, sofern die Leistung des Abkömmlings in besonderem Maße dazu beigetragen haben, das Vermögen des Erblassers zu erhalten oder zu vermehren. Nach dem Ausgleichungstatbestand des § 2057a BGB sind Pflegeleistungen, die Abkömmlinge gegenüber dem Erblasser erbracht haben, bei der Auseinandersetzung zu berücksichtigen. Bei § 2057a BGB handelt es sich ebenso wie bei den §§ 2050 ff. BGB um dispositives Recht, das durch einen anders lautenden Erblasserwillen widerlegt werden kann.[8]

 

Rz. 17

Ein Ausgleichsanspruch kommt gemäß § 2057a Abs. 2 S. 1 BGB aber nur dann in Betracht, wenn die Leistung unentgeltlich gewesen ist und der Abkömmling auch keinen Anspruch aufgrund eines anderen Rechtsgrundes, beispielsweise aus § 812 BGB, hat.[9] Besteht ein solcher Anspruch aus Bereicherungsrecht, so ist dieser eine Nachlassverbindlichkeit, die letztlich alle Erben trifft. In der Praxis entstehen hier oftmals Abgrenzungsschwierigkeiten.

 

Rz. 18

Die Anwendung des § 2057a BGB setzt voraus, dass die Leistung von einem Abkömmling des Erblassers erbracht wurde, der gesetzlicher oder gewillkürter Erbe im Sinne von § 2052 BGB geworden ist. Hierbei ist nicht unbedingt notwendig, dass der Abkömmling die Leistung selbst erbringt. Er kann sich beispielsweise auch im Wege der Arbeitsteilung seines Ehe- oder Lebenspartners[10] oder bezahlter Hilfskräfte[11] bedienen. Die Pflege muss aber immer gegenüber dem Erblasser selbst erfolgen; wird sie gegenüber einem anderen Familienmitglied erbracht, kann eine ausgleichspflichtige Leistung sonstiger Art vorliegen.[12]

 

Rz. 19

Darüber hinaus muss die Pflegeleistung in besonderem Maße dazu beigetragen haben, das Vermögen des Erblassers zu erhalten oder zu vermehren. Jedoch sollten an dieses Tatbestandsmerkmal keine zu hohen Anforderungen gestellt werden, zumal es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt, der bei den Rechtsfolgen ausreichend berücksichtigt werden kann.[13] Auch die bloße Anwesenheit eines Abkömmlings kann daher als Pflegeleistung anzusehen sein, soweit er für Gespräche einerseits und für die Sicherheit des Pflegebedürftigen im Fall plötzlich notwendig werdender Hilfe andererseits zur Verfügung stand.[14] Schließlich muss die Pflegeleistung über einen bestimmten Zeitraum hinweg erbracht werden. Da die Pflegeleistung in der Regel intensiver ist als eine bloße Mitarbeit, kann es aber als gerechtfertigt anzusehen sein, eine intensive ein- bis zweimonatige Pflegedauer bereits als ausgleichspflichtig anzuerkennen.[15]

 

Rz. 20

 

Hinweis

Die Leistung muss zwar gegenüber dem Erblasser erbracht werden. Haben die Ehegatten aber ein gemeinschaftliches Testament mit gegenseitiger Alleinerbeneinsetzung errichtet, ist als Erblasser auch der vorverstorbene Ehegatte anzusehen, dh, dass eine Ausgleichung auch dann stattfindet, wenn der Abkömmling die Leistungen gegenüber dem erstverstorbenen Ehegatten erbracht hat.[16] Es gilt hier insoweit der erweiterte Erblasserbegriff.

 

Rz. 21

Große Schwierigkeiten bestehen in der anwaltlichen Praxis in der Wertbemessung des Ausgleichsbetrages nach § 2057a BGB.[17] Nach § 2057a Abs. 3 BGB ist die Ausgleichung so zu bemessen, wie es mit Rücksicht auf die Dauer und den Umfang der Leistungen sowie auf den Wert des Nachlasses der Billigkeit entspricht. Die Billigkeitsklausel soll es ermöglichen, auf die in der Praxis ohnehin meist nicht mögliche Nachrechnung aller Einzelleistungen zu verzichten.[18] Das OLG Schleswig[19] etwa nimmt eine "Gesamtschau" in drei Prüfungsschritten vor:

Im ersten Schritt werden die Dauer und der Umfang der auszugleichenden Leistungen (also insbesondere Leistungszeitraum und täglicher Aufwand) berücksichtigt; hierbei spielt auch eine Rolle, inwieweit der Nachlass erhalten wurde.
Sodann werden im Rahmen der Billigkeit einerseits der (immaterielle) Wert der Pflege für den Erblasser und andererseits die Vor- und Nachteile für den pflegenden Abkömmling (etwa Einkommensverluste oder Wohnvorteile) eingestellt.
Schließlich werden die Vermögensinteressen der übrigen Erben und Pflichtteilsberechtigten sowie der Wert des Nachlasses berücksichtigt, wobei der Ausgleichsbetrag nicht den Wert des gesamten Nachlasses erreichen darf.
 

Rz. 22

Können sich die Parteien auf keinen Wert einigen, dann ist im Rahmen der richterlichen Beweiswürdigung (§ 287 ZPO) ein der Billigkeit entsprechender Betrag durch das Gericht festzusetzen.[20] In diesen Fällen wird daher auch ein unbezifferter Klagantrag gerichtet auf die Feststellung, dass ein in das Ermessen des Gerichts gestellter Betrag gemäß § 2057a BGB auszugleichen ist, für zulässig erachtet.[21]

 

Rz. 23

Die Berechnung der Ausgleichung erfolgt entsprechend den Vorschriften der §§ 2050 ff. BGB.

[8] Palandt/Weidlich, § 2057a Rn 1.
[9] Palandt/Weidlich, § 2057a Rn 2.
[10] Kollmeyer, NJW 2017, 1849, 1850; Tes...

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