Rz. 40

Die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung muss hinreichend Aussicht auf Erfolg bieten. Dies ist dann zu bejahen, wenn das Gericht das Vorbringen des Antragstellers in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht für zumindest vertretbar hält und die Möglichkeit einer Beweisführung gegeben ist. Es genügt grundsätzlich – da lediglich Erfolgsaussicht, nicht Erfolgsgewissheit erforderlich ist – die Zulässigkeit des beabsichtigten Verfahrens und die schlüssige Darlegung des Anspruchs mit Beweisantritt. Soweit das erkennende Gericht nicht mit einer höchstrichterlichen Rechtsprechung übereinstimmt, ist VKH zu bewilligen.

 

Rz. 41

Das nur einer summarischen Prüfung unterliegende Verfahrenskostenhilfeverfahren hat nicht den Zweck, über zweifelhafte Rechtsfragen vorweg zu entscheiden. Schwierige Sach- und Rechtsfragen sind nicht im Verfahren zur Bewilligung von VKH zu klären, sondern sie bleiben dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.[38] Demzufolge hat das Familiengericht in solchen Fällen Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen, auch wenn es der Auffassung ist, dass die Rechtsfrage zu Ungunsten des Antragstellers zu entscheiden ist.[39] Klärt sich im Laufe des Verfahrens eine zunächst zweifelhafte Rechtsfrage durch eine zwischenzeitliche höchstrichterliche Entscheidung zum Nachteil des Antragstellers, kann keine VKH mehr bewilligt werden.

Die Erfolgsprognose bezieht sich nicht nur auf die Schlüssigkeit des Vorbringens, sondern auch auf seine Beweisbarkeit; in Grenzen ist daher eine vorweggenommene Beweiswürdigung zulässig. VKH kann daher verweigert werden, wenn die Beweisaufnahme mit hoher Wahrscheinlichkeit negativ ausgehen wird.

Die Prüfung der Erfolgsaussicht hat das Gericht grundsätzlich aufgrund des Sach- und Streitstandes zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife des VKH-Gesuchs vorzunehmen, also wenn dem Gericht der schlüssige Antrag, die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und die (allerdings nicht zwingend notwendige) Entgegnung des Antragsgegners vorliegt, vgl. § 118 ZPO.[40] Dies gilt auch für den Fall, dass sich im Verlauf des Verfahrens infolge einer verzögerten Entscheidung über das VKH-Gesuch die Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung, etwa aufgrund des Ergebnisses einer zwischenzeitig durchgeführten Beweisaufnahme, verschlechtert haben.[41]

[39] BGH FamRZ 2013, 369 und FamRZ 2013, 1799.
[41] OLG Stuttgart FamRZ 2016, 395.

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