Rz. 7

Im Rahmen seiner freiberuflichen Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG, z.B. im Rahmen eines Katalogberufes als Rechtsanwalt, Steuerberater, Notar oder beratender Betriebswirt, darf sich der Freiberufler nach Maßgabe des Satzes 3 der Vorschrift der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedienen, ohne dass seine Tätigkeit damit den Charakter eines Gewerbebetriebes annehmen würde. Er kann seine Arbeitsleistung damit bis zu einer gewissen Leistungsspanne ausdehnen und "vervielfältigen"; Voraussetzung ist jedoch, dass er dabei aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig wird. Durch die Einfügung von Satz 3 in die Vorschrift des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG reagierte der Gesetzgeber im Rahmen des Steueränderungsgesetzes 1960 auf die zunehmend arbeitsteilige Berufsausübung auch von Freiberuflern, die ansonsten aufgrund der bis dahin von der Rechtsprechung verfolgten sog. Vervielfältigertheorie in die Gewerblichkeit abzudriften drohten.

 

Rz. 8

Im Rahmen der vermögensverwaltenden Tätigkeiten i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG blieb es hingegen mangels gesetzlicher Regelungen zunächst weiter bei der Geltung der Vervielfältigertheorie.[7] Danach werden sonstige selbstständige Tätigkeiten wie die des Testamentsvollstreckers als gewerblich qualifiziert, wenn sie in ihrem Kernbereich nicht mehr auf der eigenen Arbeitskraft des Berufsträgers beruhen, insbesondere wenn der Umfang der Tätigkeit die ständige Beschäftigung mehrerer Angestellter oder aber die Einschaltung von Subunternehmern erforderlich macht und diese nicht nur untergeordnete, insbesondere vorbereitende und mechanische Tätigkeiten übernehmen.[8] Entscheidend ist im Einzelfall das Gesamtbild der Verhältnisse. Nach h.M. reichte es jedoch bereits aus, wenn mehr als ein qualifizierter Mitarbeiter beschäftigt wird.[9]

 

Rz. 9

Steuerliches Gefahrenpotential drohte nach dieser Sichtweise damit insbesondere bei Freiberuflern, die in einer Personengesellschaft zusammengeschlossen sind. Denn nach der sog. "Abfärbe"- oder "Infektions"-Theorie des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG sind die Einkünfte einer Personengesellschaft, die neben freiberuflichen Einkünften auch gewerbliche Einkünfte erzielt, vollumfänglich als gewerbliche Einkünfte zu qualifizieren. Neben der Gewerbesteuerpflicht zieht dies für Überschussermittler nach Aufforderung durch das Finanzamt gem. § 141 AO auch die Verpflichtung zum Übergang zur Bilanzierung nach sich. Um diese Konsequenzen zu vermeiden, bleibt die Möglichkeit, potentiell gewerbesteuerpflichtige Tätigkeiten höchstpersönlich im Namen und für Rechnung des einzelnen Mitunternehmers in dessen Sonderbetriebsbereich abzuwickeln; eine Abfärbung vom Sonder- auf den Gesamthandsbereich des Mitunternehmers einer Personengesellschaft ist ausgeschlossen.[10] Die Ausgründung einer selbstständigen, möglicherweise gewerblich tätigen Tochter-Personengesellschaft der eigentlichen Freiberufler-Personengesellschaft ist hingegen nicht zielführend, da auch Beteiligungen an gewerblichen Mitunternehmerschaften zu einer gewerblichen Infektion der Einkünfte der Obergesellschaft führen. Hier muss auf eine Kapitalgesellschaft als Rechtsform für die Ausgliederung auf eine Tochtergesellschaft zurückgegriffen werden.

 

Rz. 10

Für die als Rechtsanwälte oder Steuerberater im Bereich der Testamentsvollstreckung tätigen Katalogberufler i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG stellte sich vor dem Hintergrund der Vervielfältigertheorie die zentrale Frage, ob sie die Tätigkeit der Testamentsvollstreckung noch im Rahmen ihrer freiberuflichen Tätigkeit ausüben und damit auch problemlos qualifizierte Mitarbeiter einbinden können oder ob mit der Testamentsvollstreckung eine separate, neben der Freiberuflichkeit stehende Einkunftsquelle nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG erschlossen wird, mit der deutlich größeren Gefahr, mit der Tätigkeit als Testamentsvollstrecker in die Gewerblichkeit hineinzurutschen.

 

Rz. 11

Die einkommensteuerliche Rechtsprechung war zunächst noch davon ausgegangen, dass die Testamentsvollstreckung etwa für einen Wirtschaftsprüfer keine Sondertätigkeit, sondern als treuhänderische Tätigkeit seit jeher berufsüblich sei und es insoweit auch unerheblich sei, dass diese Testamentsvollstreckertätigkeit ggf. von der übrigen Tätigkeit des Wirtschaftsprüfers abgrenzbar sei.[11] Hiernach reicht es aus, dass es sich bei Testamentsvollstreckungen zwar nicht um eine berufstypische, jedoch um eine berufsübliche Tätigkeit des betreffenden freien Berufs handelt.[12] Wird danach eine an sich unter § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG fallende Tätigkeit im Rahmen eines freien Berufs i.S.d. Nr. 1 der Vorschrift ausgeübt, so sollte sie der Hauptberufstätigkeit zuzurechnen sein.[13]

 

Rz. 12

Der BFH hat die Einkünfte einer aus einem beratenden Betriebswirt und einem Diplom-Ökonomen bestehende Partnerschaftsgesellschaft, die Insolvenzverwaltung betreibt, auch dann als Einkünfte aus sonstiger selbstständiger Arbeit i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG beurteilt, wenn diese fachlich vorgebildete Mitarbei...

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