Rz. 36

Diese Norm sieht vor:

 

§ 912 BGB Überbau; Duldungspflicht

(1) Hat der Eigentümer eines Grundstücks bei der Errichtung eines Gebäudes über die Grenze gebaut, ohne dass ihm Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt, so hat der Nachbar den Überbau zu dulden, es sei denn, dass er vor oder sofort nach der Grenzüberschreitung Widerspruch erhoben hat.

(2) Der Nachbar ist durch eine Geldrente zu entschädigen. Für die Höhe der Rente ist die Zeit der Grenzüberschreitung maßgebend.

aa) Tatbestand

(1) Errichtung eines Gebäudes

 

Rz. 37

Zunächst muss ein Gebäude errichtet werden.

(2) Grenzüberschreitung

 

Rz. 38

Weiter muss eine Überschreitung der Grundstücksgrenze vom Bau- zum Nachbargrundstück hin stattfinden. Dazu muss ein einheitliches Gebäude über die Grenze hinausgreifen.

(3) Bauausführung auf Veranlassung durch den Eigentümer

 

Rz. 39

§ 912 BGB setzt voraus, dass der Eigentümer des Baugrundstücks den Überbau vornimmt. Die Rechtsprechung stellt darauf ab, wer nach der Verkehrsanschauung als Geschäftsherr des Bauvorhabens anzusehen ist.[19]

(4) Verschulden des Überbauenden

 

Rz. 40

Die Duldungsverpflichtung nach § 912 Abs. 1 BGB entsteht nicht, wenn dem Überbauenden Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist. In diesem Sinne handelt vorsätzlich, wer weiß, dass er die Grenze überschreitet und sich dabei bewusst ist, dass er hierzu keine Befugnis hat.[20] Von grober Fahrlässigkeit ist auszugehen, wenn der Bauherr ein besonders unsorgfältiges Verhalten an den Tag legt, das in irgendeiner Weise für die Überschreitung der Grenze kausal war. Das Verschulden von Hilfspersonen und Vertragspartnern des Bauherrn ist dem Bauherrn nach der Rechtsprechung nur teilweise zurechenbar: so hat der BGH nur das Verschulden des Architekten als Bauherrenrepräsentant als zurechenbar angesehen, nicht jedoch das Verschulden etwa des Bauunternehmers oder dessen Gehilfen (und zwar weder gem. § 166, noch über § 278 oder § 831 BGB).[21] Die Beweislast für das Nichtvorliegen von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit liegt bei dem Bauherrn.

[20] BGH v. 21.6.1974 – V ZR 164/72 – NJW 1974, 1552.
[21] BGH v. 10.12.1976 – V ZR 235/75 – NJW 1977, 375.

(5) Nachbarwiderspruch

 

Rz. 41

Der Nachbar muss den Überbau dann nicht dulden, wenn er vor oder unmittelbar nach dem Überbau entsprechend widersprochen hat. Widerspruchsberechtigt sind der Eigentümer sowie die Erbbau- bzw. Dienstbarkeitsberechtigten. Nicht widerspruchsberechtigt sind Besitzer, Hypothekenberechtigte und Inhaber vergleichbarer Rechtspositionen.

bb) Rechtsfolgen

 

Rz. 42

Als Rechtsfolge ergibt sich für den entschuldigten Überbau eine Duldungspflicht des tangierten Eigentümers, § 912 Abs. 1 BGB. Die weitere Rechtsfolge der Rentenverpflichtung des Überbauenden wird unter Rdn 65 dargestellt.

 

Rz. 43

Sollten hingegen die Voraussetzungen des § 912 Abs. 1 BGB fehlen und auch keine anderweitigen Vereinbarungen zwischen den Nachbarn vorliegen, so ist ein rechtswidriger und nicht entschuldigter Überbau gegeben. Der Eigentümer des tangierten Grundstücks kann Beseitigung (§§ 903, 1004 BGB) sowie Herausgabe der überbauten Fläche verlangen (§ 985 BGB), soweit nicht im Ausnahmefall der Grundsatz von Treu und Glauben anderes gebietet.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge