Rz. 1

Der Begriff des Whistleblowings stammt aus dem angloamerikanischen Sprachraum und geht damit im Kern auf ein Pfeifsignal zurück, das vor einer drohenden Gefahr warnen soll bzw. eine laufende Handlung schlagartig stoppt. Das Ziel eines Whistleblowing-Systems – auch Hinweisgebersystem genannt – ist die Weitergabe spezifisch erlangten Sonderwissens von Mitarbeitern oder Dritten, um die Aufdeckung und Aufklärung von Straftaten und anderen Normverstößen in einem Unternehmen zu ermöglichen (Wieland/Steinmeyer/Grüninger/Tur, Handbuch Compliance-Management, 2020, Teil II, 4.6 Rn 3). Erfolgt die Mitteilung an nicht von dem betreffenden Unternehmen betriebene Stellen wie Behörden, Strafverfolgungsorgane oder Medien, spricht man von externem Whistleblowing; wurde das Hinweisgebersystem hingegen vom Unternehmen selbst eingerichtet, handelt es sich um internes Whistleblowing (vgl. hierzu Schulz/Möhlenbeck, Compliance Management im Unternehmen, 2021, Kap. 5 Fn 19 Rn 33 f., 70; in der Neuauflage nicht mehr eindeutig, klarer: Küttner/Kania, Personalbuch 2021, Whistleblowing, Rn 1). Das interne Whistleblowing, das an dieser Stelle im Fokus steht, kann insbesondere über eine dauerhafte Anbindung eines Rechtsanwalts als sog. Ombudsperson oder aber technisch gestützt bzw. internet-basiert anonym erfolgen. Entscheidet sich das Unternehmen für die Beauftragung eines Rechtsanwalts als Ombudsmann und also für den Betrieb einer anwaltlichen Hotline, ist der Schutz der Identität des Hinweisgebers insbesondere durch die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht nach § 43a BRAO und § 203 StGB, durch das Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 StPO und durch die eingeschränkten Möglichkeiten einer Beschlagnahme von Unterlagen nach den §§ 97, 160a StPO gewährleistet (h.M., Hauschka/Moosmayer/Lösler/Buchert, Corporate Compliance, 2016, § 42 Rn 26, 27; Moll/Dendorfer-Ditges, Münchener Anwaltshandbuch Arbeitsrecht, 2021, § 35 Rn 157; a.A. unter Hinweis auf das zwischen dem Rechtsanwalt und dem Hinweisgeber fehlende Mandatsverhältnis: LG Bochum v. 16.3.2016 – 6 Qs 1/16; vgl. auch einstweilige Anordnung gegen die Verwertung der in einer Rechtsanwaltskanzlei sichergestellten Unterlagen: BVerfG v. 25.7.2017 – 2 BvR 1287/17, 2 BvR 1583/17).

 

Rz. 2

Nach deutschem Recht besteht generell bislang keine Verpflichtung zum Aufbau eines Hinweisgebersystems. Spezielle Vorgaben zur Implementierung einer Meldestelle bestehen lediglich gem. § 25a Abs. 1 S. 6 Nr. 3 Kreditwesengesetz langjährig für Finanzinstitute und seit 2016 auch gem. § 23 Abs. 6 Versicherungsaufsichtsgesetz für den Bereich der Versicherungswirtschaft. Der nationale Gesetzgeber war gehalten, die EU Whistleblower Richtlinie bis zum 17.12.2021 in nationales Recht zu transferieren. Am 27.6.2022 hat das Bundeskabinett nunmehr den Regierungsentwurf für ein neues Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG-E) beschlossen, das drei Monate nach Verkündung und damit voraussichtlich spätestens Anfang des Jahres 2023 in Kraft treten wird.

Dem Gesetz unterfallen – alle Aussagen beziehen sich ausdrücklich nur auf den bislang verfügbaren Regierungsentwurf – Unternehmen, die mindestens 50 Mitarbeiter beschäftigen. Lediglich für Unternehmen, die zwischen 50 und 249 Arbeitnehmer beschäftigen, wird es hinsichtlich der Anwendbarkeit eine "Schonfrist" für die Umsetzung bis zum 17.12.2023 geben. Nach § 3 Abs. 8 HinSchG-E zählen u.a. auch Auszubildende und arbeitnehmerähnliche Personen zu den relevanten Mitarbeitern.

Die Unternehmen (und auch andere Organisationen) haben interne Meldekanäle innerhalb des betroffenen Unternehmens nach näherer Maßgabe von §§ 12 ff. HinSchG-E einzurichten. Nach Ansicht der EU-Kommission bedarf es in jeder Gruppengesellschaft einer eigenständigen Meldestelle, der Regierungsentwurf des Gesetzes hält in § 14 HinSchG-E übergreifende Konzernlösungen für ausreichend (ausführlich hierzu: Kappen/Mina Cho/Gaertner, CB 2022, 237). Die Verantwortlichen für interne Meldestellen erhalten ihrer Bedeutung gemäß eine gesetzlich herausgehobene Position, etwa mit Blick auf explizite Schulungserfordernisse.

Ferner existieren externe Meldekanäle nach näherer Maßgabe der §§ 19 ff. HinSchG-E, die bei einer unabhängigen Stelle eingerichtet werden, z.B. beim Bundesamt für Justiz.

Beide Meldewege für hinweisgebende Personen stehen gleichwertig nebeneinander und können von Hinweisgebern zur Abgabe von Meldungen frei gewählt werden. Die Meldungen können mündlich oder schriftlich, ggf. nach § 16 Abs. 1 HinSchG-E auch nur anonym, abgegeben werden. Ein persönliches Gespräch ist nach § 16 Abs. 3 HinSchG-E stets anzubieten. Für beide Meldewege bestehen diverse Verfahrensvorgaben wie etwa die Abgabe einer Eingangsbestätigung binnen sieben Tagen nach Meldungserhalt oder eine grundsätzlich nach drei Monaten erforderliche Rückmeldung an den Hinweisgeber zu den geplanten bzw. bereits ergriffenen Maßnahmen sowie den diesen Maßnahmen zugrundeliegenden Gründen.

Im Vordergrund der Regulierung, schon mit Blick auf den Namen des Gesetzes, st...

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