Rz. 63

Damit eine Rückabwicklung der entweder aufgrund eines Schenkungsvertrages zugewendeten Vermögenswerte oder aufgrund eines familienrechtlichen Kooperationsvertrages erbrachten Arbeits- oder Dienstleistungen möglich ist, müssen die jeweiligen Verträge aufgrund von wesentlichen Umständen geschlossen worden sein, die Geschäftsgrundlage desselben sind. Geschäftsgrundlage sind die nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt erhobenen und bei Vertragsschluss zutage getretenen gemeinsamen Vorstellungen beider Vertragsparteien, bzw. die der einen Vertragspartei erkennbaren und von ihr nicht beanstandeten Vorstellungen vom Vorhandensein oder künftigen Eintritt gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf diesen Vorstellungen aufbaut.[46] Handelt es sich hingegen hierbei um Umstände, die Vertragsinhalt wurden, enthält dieser selbst die maßgebliche Regelung und eines Rückgriffs auf § 313 BGB bedarf es nicht.[47]

 

Rz. 64

Rechtsgrund für die Zuwendung ist in der Regel ein Schenkungsvertrag. Dieser gerät nicht automatisch mit dem Scheitern der Ehe in Fortfall.[48] Eine Rückabwicklung ist deshalb in den meisten Fällen nur möglich, wenn die dem Schenkungsvertrag zugrunde liegende Geschäftsgrundlage weggefallen ist. Erfolgte die Zuwendung der Eltern in der Vorstellung, die eheliche Lebensgemeinschaft des von ihnen beschenkten Schwiegerkindes mit ihrem eigenen Kind werde Bestand haben, handelt es sich hierbei um die § 313 BGB entsprechende Geschäftsgrundlage.[49] Ihr Wunsch war der, die Leistung werde dauerhaft dem eigenen Kind zugute kommen.[50]

 

Rz. 65

Doch kann davon nicht schlechthin ausgegangen werden. Es sind besondere Umstände erforderlich, die bei einer Gesamtwürdigung den Schluss erlauben, die einzelnen Zuwendungen erfolgten nicht lediglich aus sittlichem Anstand oder aus der Motivation heraus, dem eigenen Kind und dem Schwiegerkind einen finanziellen Gefallen zu erweisen, sondern ihnen liege als Geschäftsgrundlage jeweils der Fortbestand der Ehe zugrunde.[51] Zudem müssen sowohl Eltern als auch Schwiegerkind davon ausgegangen sein, dass mit der Schenkung an das Schwiegerkind auch die eheliche Lebensgemeinschaft begünstigt wird und dauerhaft Bestand haben wird.[52]

 

Rz. 66

Wenden Eltern ihrem Schwiegerkind Vermögen erst nach der Ehescheidung zu, hat das also zur Folge, dass die Eltern zu diesem Zeitpunkt nicht mehr die Erwartung des Fortbestandes der Ehe hatten. Bedienen Schwiegereltern beispielsweise nach der Scheidung eine gesamtschuldnerische Verbindlichkeit der Eheleute, können sie sich nicht auf Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen und dementsprechend keinen Ausgleichsanspruch geltend machen.[53] Unter Umständen wäre dann aber denkbare Anspruchsgrundlage § 683 BGB, die echte berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag. Dazu muss die Tilgung der Schuld dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des ehemaligen Schwiegerkindes entsprechen.[54]

 

Rz. 67

Für das Vorliegen einer Geschäftsgrundlage ist derjenige darlegungs- und beweisbelastet, der seinen Anspruch auf Wegfall der Geschäftsgrundlage stützt. Er hat darzulegen und zu beweisen, dass dem Vertragsschluss die Vorstellungen zugrunde gelegen haben, deren Wegfall er geltend macht.[55] Dementsprechend sind Schwiegereltern vollumfänglich für die zuvor aufgeführten Tatbestandsvoraussetzungen darlegungs- und beweisbelastet.

 

Rz. 68

 

Praxistipp

Geschäftsgrundlage sind die nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt erhobenen, bei Vertragsschluss zutage getretenen gemeinsamen Vorstellungen beider Vertragsparteien.
Erfolgte die Zuwendung der Eltern in der Vorstellung, die eheliche Lebensgemeinschaft des von ihnen beschenkten Schwiegerkindes mit ihrem eigenen Kind werde Bestand haben, handelt es sich hierbei um die § 313 BGB entsprechende Geschäftsgrundlage.
Bedienen Schwiegereltern beispielsweise nach der Scheidung eine gesamtschuldnerische Verbindlichkeit der Eheleute, können sie sich nicht auf Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen.
 

Rz. 69

 

Lösung Beispielsfall

SV und SM überwiesen dem M 60.000 EUR in der Annahme, M werde dieses Geld zur Finanzierung des Familienheims verwenden. Das Familienheim wiederum sollte die eheliche Lebensgemeinschaft von M und F fördern und unterstützen. Dem M war diese Motivation auch bekannt bzw. musste ihm zwangsläufig bekannt gewesen sein. Seine Schwiegereltern hätten keinen sonstigen Grund gehabt, einen derart hohen Betrag an ihn zu überweisen. Dasselbe gilt für die Erbringung der Arbeitsleistungen durch SV.

[46] BGH, Urt. v. 3.2.2010 – XII ZR 189/06, openJur 2010, 725, FamRZ 2010, 958; BGH, Urt. v. 21.7.2010 – XII ZR 180/09, openJur 2010, 10756 (Ziff.19), FamRZ 2010, 1626; OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 4.2.2012 – 6 UF 12/12, openJur 2013, 29637, Justiz Hessen.
[47] PWW/Stürner/Medicus, § 313 BGB Rn 9.
[48] Wever, Rn 547.
[49] BGH, Beschl. v. 4.12.2014 – XII ZB 181/13, Pressemitteilung Nr. 180/14 vom 4.12.2014.
[50] BGH, Urt. v. 3.2.2010 – XII ZR 189/06, openJur 2010, 725, FamRZ 2010, 958; BGH, Urt. v. 21.7.2010 – XII ZR 180/09, openJur 2...

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