I. Vorbemerkungen

 

Rz. 237

Ursprünglich hatten wir vor, zu diesem Thema nichts zu schreiben, weil wir ja davon überzeugt sind, dass Sie ein Kapitel über Wiedereinsetzung nicht benötigen, da Sie alle Fristen sicher beherrschen, unter Beachtung aller zu treffenden organisatorischen Maßnahmen notieren und den unerledigten Ablauf verhindern. Soviel zur Theorie.

 

Rz. 238

Eine mögliche Fehlerfreiheit bei der Behandlung von Fristen hängt von verschiedenen Faktoren ab. Je kleiner eine Kanzlei ist, umso einfacher ist die Organisation. Sie müssen sich im Zweifel nur auf sich selbst und Ihren Arbeitgeber verlassen. Wenn Sie als einzige Mitarbeiterin für einen Anwalt tätig sind, können Sie das Büro so organisieren, wie es genau Ihren Erfordernissen entspricht. Sie kennen dann auch die Besonderheiten Ihres Arbeitgebers und wissen, wie Sie dafür Sorge tragen können, dass Ihr Organisationsschema mit den Vorlieben (und manchmal Eigenarten) Ihres Arbeitgebers übereinstimmt.

 

Rz. 239

Je größer die Zahl der tätigen Anwälte (und natürlich Anwältinnen) und die Mitarbeiterzahl, desto schwieriger die Organisation. Natürlich sind in größeren Kanzleien mehr Mitarbeiterinnen beschäftigt. Dies bedeutet aber auch, dass verschiedene Mitarbeiter für ähnliche Arbeitsabläufe zuständig sind. Schon wird es nicht mehr möglich sein, dass die Organisationsstrukturen genau auf Ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind. Kommunikation, Anpassung und Kompromisse sind erforderlich. Sobald mehrere an einem Organisationsablauf beteiligt sind, erhöht sich die Fehlerquelle. Jede Kanzlei ist anders organisiert. Es ist nichts Ungewöhnliches, dass in großen Kanzleien das gesamte Fristenwesen durch eine Mitarbeiterin bearbeitet wird. Aber auch diese ist einmal krank, hat Urlaub, geht in Elternzeit, wechselt den Arbeitgeber u.v.a.m. Dann muss die Stellvertretung den Arbeitsbereich übernehmen (wenn es eine Stellvertretung gibt!) oder aber die Arbeit wird auf verschiedene Mitarbeiter übertragen. Schon beginnen die Kommunikationsprobleme. In anderen Kanzleien gibt es weiterhin die Zuweisung RA/RAin und entsprechende Rechtsanwaltsfachangestellte (Rechtsfachwirt/In, Bürovorsteher/In usw.). Dann notieren Sie in Ihrem Dezernat die Fristen. Es gibt Mitarbeiterpools, Schreibpools, diverse sonstige Teambildungen. Alle haben eines gemeinsam: Fehler können geschehen.

II. Feststellung und Bekanntgabe des Fehlers

 

Rz. 240

Wenn Sie daran denken, dass ein Wiedereinsetzungsantrag gestellt werden muss, dann steht fest: Es ist etwas schief gelaufen.

 

Rz. 241

 

Praxistipp:

Ist Ihnen bei dem Notieren einer Frist ein Fehler unterlaufen, der dazu geführt hat, dass die Frist zur Einlegung eines Rechtsmittels oder Rechtsbehelfs abgelaufen ist, ohne dass rechtzeitig entsprechende Prozesshandlungen vorgenommen wurden, müssen Sie sofort reagieren. Ihre Aufgabe ist es, unverzüglich (und zwar wirklich sofort), den Fehler möglichst dem zuständigen Anwalt zu melden. Sinnvoll ist es, wenn Sie den Fristablauf verursacht haben, ein Protokoll anzufertigen, warum Ihnen, wie der Fehler unterlaufen ist (speichern Sie bitte dieses Protokoll, es wird im Zweifel noch benötigt). Mir ist bewusst, wie unangenehm es ist, Fehler offen einzugestehen. Aber dies ist die einzige Möglichkeit. Es wird Ihnen nicht gelingen, das Problem anders aus der Welt zu schaffen.

 

Rz. 242

Muster 7.29: Fehlerprotokoll im Hinblick auf eine unzutreffend notierte Berufungsbegründungsfrist

 

Muster 7.29: Fehlerprotokoll im Hinblick auf eine unzutreffend notierte Berufungsbegründungsfrist

Eilnotiz

In der Sache

Aktenbezeichnung und Aktenkennzeichnung (in der Regel Aktenzeichen)

ist am 03.12._________________________ das vollständige Urteil des _________________________ Gerichts vom _________________________ von Amts wegen zugestellt worden. Die Zustellung erfolgte gegen Empfangsbekenntnis. Das entsprechende Empfangsbekenntnis findet sich versehen mit Eingangsstempel in der Akte.

Ich habe daher – wie üblich und bereits seit Jahren fehlerfrei – den Ablauf der Berufungsfrist auf den 03.01._________________________ notiert. Entsprechend der Organisationsanweisung in der Kanzlei habe ich die Frist auf dem Urteil und im Fristenkalender notiert. Anschließend erfolgte die Notierung im softwareunterstützten Kalender. Entsprechend der Organisationsanweisung (Behandlung von Berufungsfristen) habe ich dann eine Wiedervorlage von drei Tagen sowohl in dem in Buchform geführten Kalender als auch im softwareunterstützten Kalender notiert. Entsprechend der Organisationsanweisung habe ich anschließend sämtliche notierten Notfristen und Wiedervorlagen überprüft (Buchkalender, Softwarekalender). Erst dann habe ich, entsprechend der Organisationsanweisung mein Namenskürzel in anderer Schrift und das Datum notiert, an dem ich die Berufungsfrist notiert habe. Die erforderliche Vorfrist für den _________________________ (Datum) (zwei Wochen vor Ablauf der Berufungsfrist) habe ich – entsprechend der Organisationsanweisung – nur noch im Softwarecomputer notiert.

Ich habe dann sogleich die Berufungsbegründungsfrist notiert (Organisationsanweis...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge