Rz. 91

Auch in Fällen mit Auslandsberührung kommt ein Versorgungsausgleich grds. nur dann in Betracht, wenn auf die Scheidung deutsches Recht anzuwenden ist (Art. 17 Abs. 3 Satz 1 EGBGB). Auch in diesem Fall ist der Versorgungsausgleich aber nur dann durchzuführen, wenn ihn das Heimatrecht mindestens eines der Ehegatten kennt.

 

Rz. 92

 

Beispiel

Die Türken M und seine Frau F, die in Hamburg leben, wollen sich in Deutschland scheiden lassen. Ein Versorgungsausgleich wäre wegen Art. 17 Abs. 3 EGBGB i.V.m. Art. 8 lit a VO 1259/2010 zwar nach deutschem Recht durchzuführen, da sich beide in Deutschland gewöhnlich aufhalten (auf die gemeinsame Staatsangehörigkeit kommt es sein Inkrafttreten der Rom III VO nicht mehr an). Das türkische Recht kennt aber keinen Versorgungsausgleich, so dass dieser nicht von Amts wegen durchzuführen ist.

 

Rz. 93

 

Beispiel

Der Tunesier M und die Bosnierin F wollen sich in Frankfurt scheiden lassen, wo sie die letzten zehn Jahre gelebt haben. In diesem Fall ist wegen der gemischten Nationalität der Ehe das auf die Scheidung und damit auch auf den Versorgungsausgleich anzuwendende Recht zwar nach dem Ort des gewöhnlichen Aufenthalts der Eheleute in Frankfurt deutsches Recht (Art. 17 Abs. 3 Satz 1 EGBGB i.V.m. Art. 8 lit a VO 1259/2010). Weder das tunesische noch das bosnische Recht kennen aber das Rechtsinstitut des Versorgungsausgleichs. Ein Versorgungsausgleich soll den Eheleuten deswegen nicht aufgezwungen werden; er findet deswegen grds. nicht statt.

 

Rz. 94

Soweit der Versorgungsausgleich danach ausgeschlossen ist, findet jedoch gleichwohl ein Ausgleich nach deutschem Recht statt, wenn mindestens einer der Ehegatten während der Ehezeit Versorgungsanrechte in Deutschland erworben hat. Zusätzliche Voraussetzung ist in diesen Fällen aber, dass ein Antrag auf Durchführung des Versorgungsausgleichs gestellt wird; der Versorgungsausgleich findet in diesen Fällen also nicht von Amts wegen statt. Außerdem darf der Versorgungsausgleich im Hinblick auf die beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse auch während der nicht in Deutschland verbrachten Ehezeit nicht der Billigkeit widersprechen (Art. 17 Abs. 3 Satz 2 EGBGB a.E.).

 

Rz. 95

 

Beispiel

Im Beispiel der türkischen Eheleute bedeutet das, dass jeder der beiden Ehegatten einen Antrag dahingehend stellen kann, dass ein Versorgungsausgleich nach deutschem Recht stattfindet, wenn in Deutschland Rentenanrechte erworben wurden.

 

Rz. 96

 

Beispiel

Im Beispiel der gemischtnationalen tunesisch-bosnischen Ehe kommt es ebenfalls darauf an, ob einer der Ehegatten in Deutschland Versorgungsanrechte erworben hat. Die früher geltende zweite Ausnahme, dass es reichte, dass die Wirkungen der Ehe eine Zeit lang dem Recht eines Staates unterlegen haben, das den Versorgungsausgleich kennt (Art. 17 Abs. 3 Satz 2 EGBGB a.F.) ist im Zuge der Anpassung der Norm an die Rom III VO gestrichen worden.

 

Rz. 97

 

Beispiel

Die in Deutschland lebenden Kasachen M und seine Frau F beantragen die Scheidung. Scheidungsstatut ist in diesem Fall deutsches Recht (Art. 17 Abs. 1 EGBGB, Art. 8 lit a VO 1259/2010), das Heimatrecht beider Ehegatten kennt aber keinen Versorgungsausgleich, sodass dieser zunächst ausgeschlossen ist. Ein Antrag nach Art. 17 Abs. 3 Satz 2 EGBGB kann ein Antrag auf Durchführung aber dann gestellt werden, wenn mindestens einer der Ehegatten in Deutschland Versorgungsanrechte erworben hat. Der Versorgungsausgleich ist deswegen ausgeschlossen, wenn sie z.B. erst als Rentner nach Deutschland gekommen sind. Antragsberechtigt sind heute (nach der Anpassung an die Rom III VO) immer beide Ehegatten, anders als früher, als nur der Ehegatte, der ausgleichsberechtigt gewesen wäre (also nicht derjenige, der das Anrecht erworben hat) den Antrag stellen konnte.

 

Rz. 98

Eine Vereinbarung der Eheleute kann sich in diesen Fällen darauf beziehen, dass die Eheleute darauf verzichten, den Antrag nach Art. 17 Abs. 3 Satz 2 EGBGB zu stellen. Faktisch führt das dann zum Ausschluss des Versorgungsausgleichs in Deutschland. Das kann dann sinnvoll sein, wenn die Ehegatten erreichen wollen, dass auf jeden Fall ein Versorgungsausgleich nach ihrem Heimatrecht und in ihrem Heimatrecht durchgeführt wird (etwa, wenn einer der Ehegatten Schweizer ist). I.Ü. (wenn das Heimatrecht keinen Versorgungsausgleich kennt) führt der Verzicht auf das Antragsrecht zu einem endgültigen Ausschluss des Versorgungsausgleichs. Die gebotenen Inhalts- und Ausübungskontrolle (§ 8 Abs. 1 VersAusglG) ist deswegen in diesen Fällen so durchzuführen wie bei einem vereinbarten Ausschluss des Versorgungsausgleichs (siehe dazu Rdn 125 ff.)

 

Rz. 99

 

Praxistipp

I.Ü. sind die Eheleute natürlich darin frei, für den Fall, dass ein Antrag nach Art. 17 Abs. 3 Satz 2 EGBGB gestellt wird, Einschränkungen oder Modalitäten des Ausgleichs zu vereinbaren, wie das bei den rein innerdeutschen Fällen auch möglich ist. In diesen Fällen empfehlen sich v.a. Regelungen in Bezug auf im Ausland erworbene Anrechte, da diese für den Ausgleich bei der Scheidung...

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