Rz. 74

Besondere Bedeutung erlangt die Testamentsvollstreckung im Unternehmensbereich. Sie kann eingesetzt werden, um das Unternehmen nach dem Ableben des Unternehmers abzuwickeln oder um das Unternehmen zu verwalten, z.B. bis die Kinder des Unternehmers zur Unternehmensführung in der Lage sind (z.B. volljährig sind oder eine entsprechende Ausbildung abgeschlossen haben). Die Anordnung der Testamentsvollstreckung ist hierbei mit den gesellschaftsvertraglichen Regelungen abzugleichen.

 

Rz. 75

Weiterhin bestehen aus dem Gesellschaftsrecht resultierende Einschränkungen, die eine Testamentsvollstreckung nur eingeschränkt zulassen, z.B. bei einem einzelkaufmännischen Unternehmen und einem persönlich haftenden Gesellschafter einer OHG, KG oder GbR.[61] Der Testamentsvollstrecker darf Verbindlichkeiten gem. §§ 2206, 2207 BGB nur für den Nachlass eingehen, nicht für das Eigenvermögen des Erben. Der Erbe kann seine Haftung für die Nachlassverbindlichkeiten beschränken. Dieser beschränkten bzw. beschränkbaren Haftung widerspricht die Haftungssituation beim einzelkaufmännischen Unternehmen und der Beteiligung eines persönlich haftenden Gesellschafters. Der Inhaber eines Einzelunternehmens haftet gem. §§ 22, 25, 27 HGB grundsätzlich persönlich und unbeschränkt. Dasselbe gilt für den Nachfolger eines persönlich haftenden Gesellschafters einer Personengesellschaft (vgl. §§ 128, 130 HGB).

[61] Vgl. Bengel/Reimann/Pauli, §5 Rn 111 ff.

I. Einzelkaufmännisches Unternehmen

 

Rz. 76

Bei einem einzelkaufmännischen Unternehmen ist eine Verwaltungsvollstreckung nicht zulässig, da die Erben nur auf den Nachlass beschränkbar haften und der Testamentsvollstrecker nicht persönlich haftet (vgl. §§ 2206, 2207 BGB), was der umfassenden Haftung eines Einzelkaufmanns widerspricht.[62] Zulässig ist lediglich eine Abwicklungsvollstreckung.[63] Um das Ergebnis einer Verwaltungsvollstreckung zu erreichen, haben Rechtsprechung und Literatur die Konstruktion einer "Vollmachtslösung" und "Treuhandlösung" entwickelt.

 

Rz. 77

Die "Vollmachtslösung"[64] sieht den Testamentsvollstrecker als Bevollmächtigten der Erben, der das einzelkaufmännische Unternehmen im Namen der Erben fortführt, während die Erben als Inhaber des Handelsgeschäfts für die Neuschulden unbeschränkt haften und für die Altschulden erbrechtlich beschränkbar bzw. bei Fortführung unter Übernahme der Firma unbeschränkt gem. §§ 25, 27 HGB. Der Testamentsvollstrecker benötigt, da er nur den Nachlass verpflichten kann, für diese Ersatzkonstruktion eine entsprechende Vollmacht der Erben. Der Erblasser kann die Erteilung einer Vollmacht durch die Erben sicherstellen, indem er die Erbeinsetzung auflösend bedingt durch die Vollmachtserteilung anordnet oder sie mittels einer Auflage zur Vollmachtserteilung verpflichtet.[65]

 

Rz. 78

Die "Treuhandlösung" sieht den Testamentsvollstrecker als Inhaber des Geschäfts, der das Geschäft nach außen im eigenen Namen und in unbeschränkter eigener Haftung fortführt. Im Innenverhältnis zu den Erben handelt er allerdings auf ihre Rechnung als ihr Treuhänder.[66] Diese Lösung erfordert, dass die Erben das Geschäft treuhänderisch auf den Testamentsvollstrecker übertragen. Für die Neuschulden haftet der Testamentsvollstrecker uneingeschränkt mit seinem Privatvermögen.

[62] Vgl. BGH NJW 1954, 636.
[63] MüKo/Zimmermann, § 2205 Rn 18; Damrau/Tanck/Bonefeld, § 2205 Rn 27.
[64] Schaub, ZEV 1994, 72; kritisch: Weidlich, NJW 2011, 641, 642. Vgl. zur Formulierung Tanck/Krug/Süß/Uricher, Anwaltformulare Testamente, § 17 Rn 137.
[65] Vgl. BGH NJW 1954, 636, 637; ablehnend: MüKo/Zimmermann, § 2205 Rn 26.
[66] BGH NJW 1961, 1304, 1305; BeckOK-BGB/Lange, § 2205 Rn 30 m.w.N.

II. Beteiligung als persönlich haftender Gesellschafter einer OHG, KG oder GbR

 

Rz. 79

Die Abwicklungsvollstreckung bei einer Beteiligung als persönlich haftender Gesellschafter einer OHG, KG oder GbR ist grundsätzlich zulässig. Zulässig ist die Auseinandersetzung der Gesellschaft (vgl. §§ 730 ff. BGB) durch den Testamentsvollstrecker, falls die Gesellschaft durch den Tod des Erblasser-Gesellschafters oder kraft gesellschaftsvertraglicher Bestimmungen oder Gesellschafterbeschluss aufgelöst wird. Der Testamentsvollstrecker kann auch die Auseinandersetzung durchführen, wenn der Gesellschafter durch seinen Tod ausscheidet, und den Abfindungsanspruch des Erben gem. § 738 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB geltend machen.

 

Rz. 80

Wird die Gesellschaft mit den Erben fortgesetzt, geht der Gesellschaftsanteil im Wege der Sondererbfolge unmittelbar entsprechend ihrem Anteil auf die Erben über.[67] Eine Dauertestamentsvollstreckung an der Beteiligung des Erblassers an einer OHG oder als persönlich haftender Gesellschafter einer KG ist unzulässig, da der Testamentsvollstrecker nur Verbindlichkeiten für den Nachlass eingehen kann, was der unbeschränkten persönlichen Haftung der Gesellschafter gem. § 128 HGB widerspricht.[68] Der Anteil kann nur mit seiner vermögensrechtlichen Seite, der sogenannten "Außenseite", der Dauertestamentsvollstreckung unterliegen.[69] Zur "Außenseite" gehören die mit der Gesellschaftsbeteiligung verbundenen Vermögensrechte, d.h. die ...

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