Rz. 71

Testamentsvollstreckung und trans- bzw. postmortale Vollmacht schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern sind nebeneinander möglich. Eine bereits vom Erblasser erteilte Vollmacht über den Tod hinaus (transmortale Vollmacht) bleibt auch mit dessen Ableben grundsätzlich wirksam, solange sie nicht von den Erben widerrufen wird. Eine Vollmacht des Erblassers, die erst aufschiebend bedingt nach seinem Tod wirksam wird (postmortale Vollmacht), ist ebenfalls zulässig.[53] Der mittels trans- bzw. postmortaler Vollmacht Beauftragte vertritt ab dem Zeitpunkt des Erbfalls die Erben.[54] Grund für die Erteilung einer solchen Vollmacht ist die schnellere Einsatzfähigkeit. Der Bevollmächtigte kann mittels der Vollmacht und einer Sterbeurkunde – d.h. ohne Erbnachweis – über Nachlassgegenstände verfügen. Die Vollmacht kann daher eingesetzt werden, um die Zeit bis zur Erteilung eines Erbscheins bzw. Testamentsvollstreckerzeugnisses zu überbrücken.

 

Rz. 72

Eine vom Erblasser erteilte post- oder transmortale Vollmacht ist grundsätzlich widerruflich. Die Vollmacht kann von jedem Miterben einzeln widerrufen werden, jedoch nur mit Wirkung für sich.[55] Auch der Testamentsvollstrecker kann die Vollmacht widerrufen. Die Vollmacht kann nur dann unwiderruflich erteilt werden, wenn das der Vollmacht zugrunde liegende Rechtsverhältnis auch im Interesse des Bevollmächtigten liegt und die Interessen des Bevollmächtigten und Vollmachtgebers mindestens gleichwertig sind.[56] Insbesondere kann eine dem Testamentsvollstrecker erteilte postmortale Vollmacht unwiderruflich erteilt werden.[57] Sie kann daher nur aus wichtigem Grund widerrufen werden.[58]

 

Rz. 73

Setzt der Erblasser unterschiedliche Personen als Testamentsvollstrecker und Bevollmächtigten ein, ist streitig, in welchem Verhältnis die Bevollmächtigung und die angeordnete Testamentsvollstreckung stehen. Die überwiegende Meinung in Rechtsprechung und Literatur geht davon aus, dass der Bevollmächtigte ungeachtet der angeordneten Testamentsvollstreckung bis zum Vollmachtswiderruf über die Nachlassgegenstände verfügen kann, da beide Rechtsinstitute selbstständig nebeneinanderstehen und es nicht auf die zeitliche Reihenfolge ankommt.[59] Eine andere Ansicht stellt auf die zeitliche Reihenfolge der Anordnungen ab und nimmt bei einer Anordnung der Testamentsvollstreckung nach Vollmachtserteilung einen Widerruf der Vollmacht an.[60]

[54] BGH NJW 1983, 1487, 1489.
[55] BGH NJW 1962, 1718; Damrau/Tanck/Bonefeld, § 2197 Rn 10.
[56] BGH WM 1971, 956.
[57] Nieder/Kössinger, § 15 Rn 96 m.w.N.
[58] BGH WM 1985, 646, 647.
[60] Nieder/Kössinger, § 15 Rn 98 m.w.N. Zum Meinungsstand vgl. außerdem Becker, ZEV 2018, 692, 693.

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