Rz. 17

Unter fiktivem Vermögen sind sog. Vorempfänge zu verstehen. Der Berater muss unbedingt feststellen, welche lebzeitigen Zuwendungen der Mandant und sein Ehegatte an seine Abkömmlinge, seinen Ehegatten oder an Dritte vorgenommen haben. Zum einen spielen diese im Rahmen von Pflichtteilsergänzungsansprüchen eine Rolle, zum anderen sind Vorempfänge zur Ausgleichung (§§ 2050 ff. BGB) unter Abkömmlingen von Relevanz. Zuwendungen nach § 2050 Abs. 1 BGB (Ausstattungen gem. § 1624 BGB) und § 2050 Abs. 2 BGB (Übermaßausbildung) sind sog. "geborene" Ausgleichungen, da diese von ihrem Wesen her immer auszugleichen sind. Es sei denn, es liegt eine anders lautende Anordnung des Erblassers vor. Bei den sonstigen Zuwendungen i.S.d. § 2050 Abs. 3 BGB spricht man von einer "gekorenen" Ausgleichung, da die Ausgleichung nur dann vorzunehmen ist, wenn dies ausdrücklich durch den Erblasser angeordnet wurde.[2] Zudem sind die Vorempfänge zur Ermittlung von Pflichtteilsansprüchen nach den §§ 2315, 2316 BGB von Bedeutung.

 

Rz. 18

Nach Feststellung der Art des Vorempfangs ist sodann festzuhalten, von wem der Vorempfang stammt. Grundsätzlich sind immer nur Vorempfänge des direkten Erblassers auszugleichen. Sofern die Ehegatten jedoch ein Berliner Testament verfügt und ihre Kinder zu Schlusserben eingesetzt haben, gilt der sog. "erweiterte Erblasserbegriff".[3] Demnach sind auch die Vorempfänge auszugleichen, die der Abkömmling über den Erstverstorbenen erworben hat.

 

Praxishinweis

Der erweiterte Erblasserbegriff gilt nicht zur Berechnung des Pflichtteils nach § 2315 und § 2316 BGB!

Um das vom Mandanten gewünschte Ziel mittels der Verfügung von Todes wegen zu erreichen, ist also die Kenntnis und Berücksichtigung von Vorempfängen unerlässlich.

[2] Nieder/Kössinger/Najdecki, Handbuch der Testamentsgestaltung, § 2 Rn 221.
[3] BGHZ 88, 102.

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