Rz. 85

Will der Erblasser einem Miterben etwas vorab zukommen lassen, ohne dass dieser sich den Zuwendungswert auf seinen Erbteil anrechnen lassen muss, kann dies durch Bestimmung eines Vorausvermächtnisses erfolgen. Ein Vorausvermächtnis stellt die vermächtnisweise Zuwendung eines Rechts oder Gegenstandes an einen Erben dar. Es handelt sich um ein Gestaltungsmittel, um einem der Erben einen bestimmten Gegenstand zu übertragen, ohne dass diesbezüglich eine Anrechnung auf seinen Erbteil erfolgt. Ein Wertausgleich findet nicht statt.

 

Rz. 86

Bereits vor der Nachlassteilung hat der Vorausvermächtnisnehmer einen Anspruch auf Übertragung des vermachten Gegenstandes durch die anderen Erben, ohne dafür einen Wertausgleich vornehmen zu müssen. Bei der späteren Teilung des Nachlasses erhält der Vorausvermächtnisnehmer dann seinen ungekürzten Erbteil am verbleibenden Nachlass entsprechend der festgelegten Quote. Das Vorausvermächtnis stellt eine Nachlassverbindlichkeit i.S.d. § 1967 Abs. 2 BGB dar.

 

Rz. 87

Das Vorausvermächtnis bringt dem Erben eine Reihe von Vorteilen. Beim Erbschaftskauf bleibt das Vorausvermächtnis unberührt (§ 2373 BGB). Die Erfüllung des Vorausvermächtnisses kann schon vor der Erbauseinandersetzung verlangt werden. Ferner unterliegt das Vorausvermächtnis grundsätzlich nicht der Vor- und Nacherbschaft (§ 2110 Abs. 2 BGB).

Muster 7.4: Vorausvermächtnis

 

Muster 7.4: Vorausvermächtnis

Ich setze zu meinen alleinigen Erben meine Ehefrau _________________________, geb. am _________________________, geborene _________________________, und meine Tochter _________________________, geb. am _________________________ je zur Hälfte ein.

Meine Ehefrau _________________________ erhält im Wege des Vorausvermächtnisses, also ohne Anrechnung auf den Erbteil, mein Wertpapierdepot _________________________ bei der _________________________-Bank mit dem Bestand am Todestag.

Meine Tochter _________________________ erhält im Wege des Vorausvermächtnisses, also ohne Anrechnung auf den Erbteil, meine Eigentumswohnung in _________________________, vorgetragen im Grundbuch von _________________________, Fl. Nr. _________________________.

Die Kosten der Vermächtniserfüllung trägt der jeweilige Vermächtnisnehmer bzgl. seines Erwerbs selbst. Ein Ersatzvermächtnisnehmer wird entgegen jeder anders lautenden gesetzlichen oder richterlichen Auslegungs- und Vermutungsregel nicht benannt.

 

Rz. 88

Die rechtlichen und praktischen Unterschiede zwischen Teilungsanordnung und Vorausvermächtnis können zusammenfassend wie folgt dargestellt werden:

Die Teilungsanordnung konkretisiert nur den Erbteil, während das Vorausvermächtnis zusätzlich zum Erbteil erworben wird.
Die Teilungsanordnung kann nur im Wege der Erbauseinandersetzung geltend gemacht werden, während der Vorausvermächtnisnehmer einen schuldrechtlichen Erfüllungsanspruch gegen die Erbengemeinschaft bereits mit dem Erbfall erhält (§ 2176 BGB).
Nur das Vermächtnis kann ausgeschlagen werden (§ 2180 BGB), eine Teilungsanordnung jedoch nicht.
Schlägt der Erbe die Erbschaft aus, so wird auch die mit seinem Erbteil verbundene Teilungsanordnung gegenstandslos, während er das Vorausvermächtnis annehmen kann. Der Erblasser kann jedoch das Vorausvermächtnis unter die Bedingung stellen, dass der Bedachte auch die Erbschaft annimmt.
Der Vorausvermächtnisgegenstand unterliegt gem. § 2110 Abs. 2 BGB nicht der Nacherbenbeschränkung und ist beim schuldrechtlichen Erbteilsverkauf nicht als mitverkauft anzusehen (§ 2373 BGB), während der durch eine Teilungsanordnung einem Erben zugewiesene Gegenstand von der Nacherbeneinsetzung und vom Erbteilsverkauf mit umfasst wird.
Grundsätzlich unterliegt zwar der durch Teilungsanordnung zugewiesene Gegenstand der Testamentsvollstreckung, nicht dagegen ein im Voraus vermachter Gegenstand, es sei denn, die Testamentsvollstreckung ist auch bzgl. des Vorausvermächtnisses angeordnet.
Eine von einer im Testament grundsätzlich vorgesehenen Quotierung abweichende Zuweisung von bestimmten Nachlassgegenständen ist als Vorausvermächtnis anzusehen, soweit sie, vom Erblasser gewollt, über den Inhalt einer Teilungserklärung hinausgeht. Lediglich bei einer "reinen" Teilungsanordnung besteht eine anderweitige Ausgleichspflicht.[77]
[77] OLG Frankfurt/Main ZErb 2008, 166 ff.

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