Rz. 91

Die Errichtung einer Stiftung durch Verfügung von Todes wegen und die damit erfolgende Vermögensdotierung unterliegt unstrittig dem ordentlichen Pflichtteil. Bei der Errichtung einer Stiftung unter Lebenden (§ 81 BGB) erfolgt die Vermögenszuwendung aufgrund des Ausstattungsversprechens, die jedoch nur eine einseitige Willenserklärung ist,[289] so dass es an sich an der für den Pflichtteilsergänzungsanspruch erforderlichen Schenkung i.S.v. § 516 BGB fehlt. Jedoch ist eine analoge Anwendung des § 2325 BGB auf die Errichtung einer Stiftung geboten, um entgegen dem Schutzzweck der Norm eine Aushöhlung des Pflichtteilsrechts zu verhindern.[290] Nur im Einzelfall kommt eine Anwendung von § 2330 BGB in Betracht.[291]

 

Rz. 92

Der BGH hat ferner endgültige unentgeltliche Zuwendungen an eine bereits existierende Stiftung als pflichtteilsergänzungspflichtige Schenkungen qualifiziert.[292] In seiner Begründung erwähnte der BGH als pflichtteilsergänzungspflichtige Zuwendungen ausdrücklich stiftungskapitalerhöhende Zustiftungen und freie oder gebundende Spenden, die zum zeitnahen Einsatz für die Stiftungszwecke gedacht sind.[293] Er hat der Auffassung der Vorinstanz des OLG Dresden eine klare Absage erteilt. Das OLG Dresden[294] sah in Zuwendungen an eine Stiftung zur Förderung des Stiftungszwecks keine ergänzungspflichtige Schenkung, weil es an einer objektiven und gefestigten Bereicherung fehlen sollte. Das treuhänderisch von der Stiftung gehaltene Vermögen sollte wegen der Notwendigkeit der satzungsmäßigen Verwendung nur als Durchgangseigentum anzusehen sein. Der BGH stellte dagegen klar, dass überhaupt kein Treuhandverhältnis vorlag, da bei Spenden die typischen Merkmale eines Treuhandverhältnisses – wirtschaftliches Eigentum des Treugebers am Treuhandvermögen, das jedenfalls aus wichtigem Grund stets gegebene Kündigungsrecht des Treugebers, die Möglichkeit des Vermögensrückfalls bei Insolvenz des Treugebers – gerade nicht zuträfen.[295] Spenden würden von der Stiftung für sich selbst verwendet, weshalb die Stiftung die Spenden nicht bloß als Mittels- oder Durchgangsperson erhalte.[296] Der BGH hat also in seinem Urteil klargestellt, dass eine Stiftung auch im Pflichtteilsrecht als eigenständige juristische Person zu qualifizieren ist und Zuwendungen nicht nur an einen Bevollmächtigten oder Boten erfolgen, sondern an einen selbstständigen, rechtsfähigen Verband. Es spiele keine Rolle, ob die Zwecke der Stiftung als gemeinnützig im Steuerrecht anerkannt werden können. Diese "Wohltätigkeit" für die Allgemeinheit ändere nichts an den Ansprüchen des Pflichtteilsberechtigten.

[289] Staudinger/Hüttemann/Rawert, § 81 Rn 2; MüKo-BGB/Reuter, §§ 80, 81 Rn 10.
[290] H.M., RGZ 54, 399, 400; OLG Hamburg OLGE 38, 235, 238; OLG Karlsruhe ZEV 2004, 470, 471; LG Baden-Baden ZEV 1999, 153 (zu § 2314 BGB) m. Anm. Rawert; Staudinger/Olshausen, § 2325 Rn 39; Lange/Kuchinke, § 37 X 2 e; Gottwald, Pflichtteilsrecht, § 2325 Rn 32; MüKo-BGB/Lange, § 2325 Rn 42; MüKo-BGB/Reuter, §§ 80, 81 Rn 22 ff.; ausführlich zur Problematik Rawert/Katschinski, ZEV 1996, 161, 162 ff. m.w.N. und zahlreichen Detailproblemen.
[291] Staudinger/Olshausen, § 2325 Rn 39.
[292] BGH NJW 2004, 1382 = ZEV 2004, 115 m. Anm. Kollhosser = ZErb 2004, 129; siehe auch: Schiffer, NJW 2004, 1565; Otte, JZ 2004, 973; Röthel, ZEV 2006, 8; Hartmann, ZErb 2004, 179 (aus erbschaft- und schenkungsteuerlicher Sicht). Krit. Adam, ZEV 2017, 125 ff.
[293] BGH NJW 2004, 1382, 1383 unter Verweis auf LG Baden-Baden ZEV 1999, 152; Rawert, ZEV 161, 163; Muscheler, ZEV 2002, 417.
[294] OLG Dresden NJW 2002, 3181 = ZEV 2002, 415 (Dresdner Frauenkirche) m. abl. Anm. Muscheler; ablehnend auch Rawert, NJW 2002, 3151.
[295] BGH NJW 2004, 1382, 1383.
[296] BGH NJW 2004, 1382, 1383.

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