Rz. 208

Die Ausschlagung (und die ihr gleichstehende Anfechtung der Erbschaftsannahme) ist ebenfalls problematisch: Zwar fehlt eine ausdrückliche gesetzliche Regelung,[574] jedoch wird nach h.M. – teilweise unter Verweis auf den Wortlaut des § 2326 S. 2 BGB – auch der hinterlassene, aber ausgeschlagene Erbteil vom Pflichtteilsergänzungsanspruch abgezogen.[575] Während die Ausschlagung der Erbschaft zum Verlust des ordentlichen Pflichtteils führt, sofern kein Fall des § 2306 Abs. 1 (S. 2 a.F.) BGB vorliegt, soll sich der ausschlagende Pflichtteilsberechtigte auf seinen Ergänzungspflichtteil wenigstens das anrechnen lassen, was er als Erbe ohne Ausschlagung erhalten hätte. Letzteres erscheint jedoch dann unbillig, wenn der Pflichtteilsberechtigte nach § 2306 Abs. 1 S. 2 BGB a.F. ausschlagen musste, um wenigstens seinen unbeschwerten Pflichtteil zu erhalten. Die h.M. verneint hier aufgrund einer teleologischen Reduktion ausnahmsweise eine Anrechnung des Hinterlassenen, aber Ausgeschlagenen, weil sonst der Erblasser durch geschickte Kombination von Schenkung und belasteter letztwilliger Zuwendung den Pflichtteilsschutz unterlaufen könnte.[576]

 

Rz. 209

Bei der Falllage des § 2306 Abs. 1 S. 1 BGB a.F. war keine Ausschlagung erforderlich, weil dann die Beschränkungen kraft Gesetzes automatisch wegfielen. Ein weitergehender Korrekturbedarf bestand nicht. Wurde in diesem Fall oder bei Zuwendung eines unbelasteten Erbteils dennoch ausgeschlagen, so verlor der Pflichtteilsberechtigte nach den allgemeinen Regeln den ordentlichen Pflichtteil[577] und behielt allenfalls – in Höhe der Differenz zum hinterlassenen Erbteil – einen Pflichtteilsergänzungsanspruch (§ 2325 BGB).

[574] Soergel/Dieckmann, § 2326 Rn 2.
[575] Bamberger/Roth/Hau/Poseck/G. Müller, Beckscher Online-Kommentar, Stand: 15.6.2017, § 2326 Rn 6; MüKo-BGB/Lange, § 2326 Rn 6 m.w.N.; i.E. auch Staudinger/Olshausen, § 2326 Rn 11.
[576] Bamberger/Roth/Hau/Poseck/G. Müller, Beckscher Online-Kommentar, Stand: 15.6.2017, § 2326 Rn 6; Staudinger/Olshausen, § 2326 Rn 11; MüKo-BGB/Lange, § 2326 Rn 6; Soergel/Dieckmann, § 2326 Rn 5; vgl. Damrau/Tanck/Lenz-Brendel, § 2326 Rn 7; mit anderer Begründung auch BGB-RGRK/Johannsen, § 2326 Rn 3; hinsichtlich der Begründung a.A. Schindler, ZErb 2006, 186, 189, der für die Bemessung der Wertgrenze in § 2306 Abs. 1 S. 1 BGB a.F. auch Pflichtteilsergänzungsansprüche einbeziehen möchte.
[577] Anders bei der Zugewinngemeinschaftsehe, § 1371 Abs. 2 und 3 BGB. Gleiches galt bei der Ausgleichsgemeinschaft eingetragener Lebenspartner, § 6 Abs. 2 S. 4 LPartG.

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