Rz. 179

Es war lange Zeit umstritten, ob die unklare Rechtsprechung des BGH zum Nießbrauch auf Immobilienschenkungen unter Vorbehalt eines Wohnungsrechts übertragen werden kann. Der BGH hat nun 2016 erstmalig einen Fall zum Wohnungsrecht entschieden und dabei den Beginn der zehnjährigen Ausschlussfrist des § 2325 Abs. 3 S. 2 BGB bejaht. Bevor auf diese Entscheidung eingegangen wird, soll die vorherige Entwicklung kurz nachgezeichnet werden, denn auch mit dieser Entscheidung dürften selbst beim Wohnrecht weiter Unsicherheiten verbleiben. Die bisherigen Entscheidungen verschiedener Obergerichte hatten die Unsicherheiten für Praktiker noch vergrößert. So hatte das OLG Düsseldorf 1998 entschieden, dass die Frist mangels Leistung nicht gem. § 2325 Abs. 3 BGB zu laufen beginnt, wenn sich der Schenker an von ihm bisher bewohnten Räumen im Erdgeschoss und zusätzlich an einem Raum im Obergeschoss ein Wohnrecht vorbehält, Gemeinschaftsflächen nutzen darf und u.a. die Rückübertragung bei Veräußerung des Hauses ohne seine Zustimmung verlangen kann.[495] Dagegen hatte sich das OLG Bremen 2005 für den Fristbeginn nach § 2325 Abs. 3 Hs. 1 BGB ausgesprochen, wenn der Erblasser sein Haus verschenkt und sich ein ausschließliches Wohnrecht an zwei Zimmern im Obergeschoss sowie ein Mitbenutzungsrecht an weiteren Räumen des Erdgeschosses und an allen gemeinschaftlichen Einrichtungen von Haus und Grundstück vorbehält.[496] Ähnlich das OLG Oldenburg (Fristbeginn), wenn ein beschränkt dingliches Wohnungsrecht an der unteren Wohnung des Wohnhauses bestellt wird.[497] Das OLG Karlsruhe sah ebenso eine Leistung i.S.v. § 2325 Abs. 3 BGB als erfüllt an und damit die Zehn-Jahres-Frist in Gang gesetzt, wenn der Beschenkte seinen Eltern an der Erdgeschosswohnung ein lebenslanges unentgeltliches Wohnrecht und Mitnutzungsrechte u.a. am Keller und Garten einräumt und der Beschenkte die Immobilie nicht veräußern und die von ihm bewohnte Wohnung nicht an Dritte vermieten darf.[498] Das OLG München wiederum verneinte eine Leistung und den Fristbeginn, wenn sich der Übergeber auf Lebenszeit ein Wohnrecht am gesamten Haus einräumen lässt (ausgenommen die Souterrainwohnung, die der Erwerber bewohnte; hinzu kamen aber noch weitere Rechte für den Übergeber).[499] Ähnlich haben es auch einige Landgerichte gesehen, etwa das LG Münster (das Wohnungsrecht bezog sich nur auf einzelne Zimmer von ca. 33 qm mit Mitbenutzung von Küche und Bad im Rahmen eines üblichen Leibgedings).[500]

 

Rz. 180

Hier war eine höchstrichterliche Klärung wünschenswert und erforderlich. Zunächst hatte der BGH im Jahr 2012 die Nichtzulassungsbeschwerde gegen ein Urteil des LG Rottweil zurückgewiesen,[501] das sich für den Beginn der Ausschlussfrist des § 2325 Abs. 3 BGB bei vorbehaltenem Wohnungsrecht an lediglich 11 % der Gesamtfläche des übertragenen Grundstücks ausgesprochen hatte.[502] Der BGH hat dies mit fehlender grundsätzlicher Bedeutung begründet und keine Notwendigkeit gesehen, zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung zu treffen. Damit lag der Schluss nahe, dass zumindest geringwertige Wohnungsrechte um die 10 % der Gesamtfläche rechtssicher die Frist des § 2325 Abs. 3 BGB in Gang setzen.[503]

 

Rz. 181

In der 2016 gefällten Entscheidung hat der BGH betont, dass auch bei der Einräumung eines Wohnungsrechts in Ausnahmefällen (!) der Beginn des Fristablaufs gem. § 2325 Abs. 3 BGB gehindert sein könnte. Doch seien hierfür die Umstände des Einzelfalls maßgebend, anhand derer beurteilt werden müsse, ob der Erblasser den verschenkten Gegenstand auch nach Vertragsschluss noch im Wesentlichen weiterhin nutzen könne.[504] Unter Rückgriff auf die Kriterien des BGH zur Nießbrauchsentscheidung aus 1994 gelangt der BGH zum Ergebnis, dass im Entscheidungssachverhalt die Schenker die Immobilie trotz Wohnungsrechts nicht mehr wie bisher nutzen konnten und damit nicht mehr als "Herr im Haus" anzusehen waren.[505] In dem Fall hatten Eltern ein mit einem 3-Etagen-Wohnhaus bebautes Grundstück geschenkt und sich ein Wohnungsrecht an den Räumlichkeiten im Erdgeschoss vorbehalten, das auch die Mitbenutzung des Gartens, der Nebenräume sowie aller Leitungen und Anlagen zur Versorgung des Grundstücks mit Wasser, Wärme, Energie und Entsorgung umfasste. Die Eltern durften zudem die Garage weiterhin unentgeltlich nutzen, während der beschenkte Sohn das Grundstück zu Lebzeiten der Eltern nicht veräußern und ohne elterliche Zustimmung auch nicht verändern durfte. Allerdings durfte der Sohn Grundpfandrechte bis zur Höhe von DM 200.000 nebst Zinsen für beliebige Gläubiger im Rang vor dem Wohnungsrecht eintragen. Auf eine Rückauflassungsvormerkung wurde verzichtet. Der BGH sah aufgrund der Vereinbarung, dass die Schenker das Wohnungsrecht nicht am gesamten Wohnhaus, sondern nur an Teilen der geschenkten Immobilie erhielten, die wirtschaftliche Verwertbarkeit des Grundstücks deutlich eingeschränkt. Die rechtlich und wirtschaftlich schwächere Stellung d...

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