Rz. 48

Liegt eine unwiderrufliche Bezugsrechtseinräumung vor, so erwirbt der Begünstigte alle Rechte aus dem Lebensversicherungsvertrag sofort und nicht erst mit dem Tod des Versicherungsnehmers. Eine Entscheidung des BGH liegt hinsichtlich des in diesem Fall für den Pflichtteilsergänzungsanspruch maßgeblichen Wert noch nicht vor. Die Grundsätze der Entscheidungen vom 28.4.2010 dürften aber entsprechend heranzuziehen sein. Zu beachten ist vor allem die Ausschlussfrist des § 2325 Abs. 3 BGB. Erfolgte die Einräumung außerhalb dieser Frist, so kann für die Pflichtteilsergänzung nicht mehr der Anspruch auf die volle Lebensversicherungssumme herangezogen werden.[151] Es sind dann wohl nur die in dieser Frist geleisteten Prämien zu berücksichtigen, denn die eigentliche Zuwendung der Lebensversicherung lag außerhalb der Ausschlussfrist.[152] Der zusätzlich zu der Prämienzahlung erfolgende Wertzuwachs muss daher unberücksichtigt bleiben.[153] Die Rechtslage ähnelt der, wie wenn der Erblasser dem Begünstigten Geldmittel zur Verfügung stellt, damit dieser hieraus die Prämien einer von ihm selbst abgeschlossenen Versicherung bezahlt.

 

Rz. 49

Erfolgte dagegen die Einräumung der unwiderruflichen Bezugsberechtigung innerhalb der Ausschlussfrist des § 2325 Abs. 3 BGB, dürfte nun entsprechend der BGH-Entscheidungen vom 28.4.2010 der im Zeitpunkt der Zuwendung bestehende Verkehrswert, regelmäßig der Rückkaufswert zu diesem Zeitpunkt, indexiert und nach § 2325 Abs. 3 BGB abgeschmolzen für den Pflichtteilsergänzungsanspruch maßgeblich sein.[154] Als weitere Schenkungen hinzuzurechnen sind zudem nach der Einräumung des unwiderruflichen Bezugsrechts vom Schenker geleistete Prämien.[155] Diese Grundsätze dürften aufgrund des sofortigen Rechtserwerbs auch bei einer gemischten Lebensversicherung (siehe Rdn 40) mit unwiderruflicher Bezugsberechtigung gelten.[156] Für Muscheler hingegen müsste bei einer Bezugsrechtseinräumung innerhalb der Zehnjahresfrist danach unterschieden werden, ob der Begünstigte ursprünglich (dann seien nur die Prämien ergänzungspflichtig) oder erst nachträglich eingesetzt wurde (dann sei der volle Versicherungsanspruch maßgeblich, zuzüglich etwaiger Überschussanteile und unter Beachtung des Niederstwertprinzips).[157]

Die hier vertretene Auffassung (eine BGH-Entscheidung zur Behandlung unwiderruflicher Bezugsberechtigungen gibt es wie ausgeführt bislang nicht) könnte auch auf Risikolebensversicherungen mit einer unwiderruflichen Bezugsberechtigung angewandt werden. Doch auch hier dürfte es sich wieder als schwierig erweisen, den Verkehrswert einer solchen Versicherung zu bestimmen (siehe hierzu Hinweis oben Rdn 46). Für die auch am Zweitmarkt gehandelten Risikolebensversicherungen dürfte ein Sachverständigengutachten dann wohl unvermeidlich sein, jedenfalls dann. wenn die Einräumung der unwiderruflichen Bezugsberechtigung innerhalb der 10-Jahres-Ausschlussfrist erfolgte.

[151] Palandt/Weidlich, § 2325 Rn 13; Bamberger/Roth/Hau/Poseck/G. Müller, Beckscher Online-Kommentar, Stand: 15.6.2017, § 2325 Rn 15; jurisPK/Birkenheier, § 2325 BGB Rn 82; J. Mayer, DNotZ 2011, 89, 97 f.; Elfring, ZEV 2004, 305, 310; Progl, ZErb 2004, 187, 189 f.
[152] Muscheler, ErbR 2010, 279, 282, der den Pflichtteilsergänzungsanspruch sogar völlig ins Leere laufen sieht, wenn man den Anspruch auf die Versicherungssumme als maßgeblichen Schenkungsgegenstand betrachtete.
[153] W. Bayer, Der Vertrag zugunsten Dritter, 1995, S. 316; Bruck/Möller/Winter, VVG, 8. Aufl. 1988, V. Bd., 2. Halbband, Lebensversicherung H Rn 276.
[154] Palandt/Weidlich, § 2325 Rn 13; jurisPK/Birkenheier, § 2325 BGB Rn 82; J. Mayer, DNotZ 2011, 89, 97 f.; Herrler, ZEV 2010, 333, 337. Dagegen wollten Harder, FamRZ 1976, 617, 619; Bruck/Möller/Winter, VVG, 8. Aufl. 1988, V. Bd., 2. Halbband, Lebensversicherung H Rn 276 noch vor den BGH-Entscheidungen den vollen Wert des Versicherungsanspruchs ansetzen, während E. Lorenz, in: FS Farny, S. 361; W. Bayer, Der Vertrag zugunsten Dritter, 1995, S. 317 f. das Niederstwertprinzip berücksichtigen wollten und nur den Wert für maßgeblich hielten, den die Versicherungsforderung gehabt hätte, wenn der Versicherungsfall sogleich nach Abgabe der unwiderruflichen Begünstigungserklärung eingetreten wäre.
[155] JurisPK/Birkenheier, § 2325 BGB Rn 82; J. Mayer, DNotZ 2011, 89, 97 f.; auch Palandt/Weidlich, § 2325 Rn 13 und Herrler, ZEV 2010, 333, 337, die aber nur Prämien in der Höhe berücksichtigen wollen, wie sie den Wert der Lebensversicherung steigern.
[156] So schon W. Bayer, Der Vertrag zugunsten Dritter, 1995, S. 318. A.A.E. Lorenz, in: FS Farny, S. 361, der die volle Versicherungssumme für den Ergänzungsanspruch ansetzen wollte, weil der Versicherungsnehmer für seinen Erlebensfall mit einem Erwerb der Versicherung rechne, so dass weder die Ausschlussfrist noch das Niederstwertprinzip anwendbar wäre.
[157] Muscheler, ErbR 2010, 279, 282.

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