Rz. 271
§ 2329 BGB setzt weiter voraus, dass der Erbe zur Ergänzung des Pflichtteils nicht verpflichtet sein darf (§ 2325 Abs. 1 S. 1 BGB); dem Ergänzungsberechtigten muss ein Betrag "fehlen" und zwar deshalb, weil der Erbe im Einzelfall ihm gegenüber nicht zur Ergänzung verpflichtet ist. Dies muss aber auf Rechtsgründen beruhen, damit die Haftungsverlagerung vom Erben als dem eigentlichen Pflichtteilsschuldner auf den Beschenkten bezüglich der Ergänzungslast eintritt. Dies ist der Fall, wenn
▪ | feststeht, dass kein Nachlass vorhanden ist oder dass der Nachlass überschuldet ist;[683] allerdings ist dabei sorgfältig zu prüfen, ob überhaupt ein Pflichtteilsergänzungsanspruch besteht; |
▪ | der Erbe zulässigerweise seine Haftung beschränkt hat oder nur als Teilschuldner haftet und der Nachlass insoweit zur Begleichung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs nicht reicht (§§ 1975 ff., 1990, 1991 Abs. 4, 2060 BGB, § 327 InsO). Dabei genügt auch die Dürftigkeitseinrede.[684] Es reicht nach einer Meinung sogar, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen für die Haftungsbeschränkung vorliegen; deren Geltendmachung sei nicht erforderlich.[685] Dies wird insbesondere im Zusammenhang mit § 2328 BGB diskutiert. Wendet man, wie der BGH,[686] bei mehreren pflichtteilsberechtigten Miterben § 2329 Abs. 1 S. 2 BGB entsprechend an, so kommt es auf diese Frage nicht an.[687] |
▪ | Die Ergänzungspflicht des Erben entfällt auch, wenn der pflichtteilsberechtigte Erbe die Ergänzung nach § 2328 BGB verweigern kann.[688] Umstritten ist dabei, ob der Beschenkte bereits im Fall des bloßen Bestehens der entsprechenden Einredemöglichkeit oder erst bei deren Geltendmachung haftet.[689] Wenn man jedoch an das Erheben der Einrede keine zu großen Anforderungen stellt und dies bereits bei Verweigerung der Pflichtteilsergänzung annimmt[690] oder gar unterstellt,[691] sind die praktischen Unterschiede gering.[692] |
Rz. 272
Nach h.M. ist § 2329 BGB aber nicht anwendbar, wenn der Anspruch gegen den unbeschränkt haftenden Erben lediglich aus tatsächlichen Gründen nicht durchsetzbar ist, weil er zahlungsunfähig ist oder aus sonstigen Gründen nicht belangt werden kann, also z.B. die Durchsetzung von Ansprüchen im Ausland faktisch schwierig ist. Sonst würde man den Beschenkten mit dem Insolvenzrisiko des Erben belasten, was sich aus dem Gesetz nicht entnehmen lässt. So spricht § 2329 Abs. 1 S. 1 BGB sogar ausdrücklich davon, dass der Erbe zur Ergänzung "nicht verpflichtet" sein darf.[693] Zudem würde dies auch zu praktischen Abgrenzungsschwierigkeiten führen.[694] Die Ersatzhaftung nach § 2329 BGB soll auch dann nicht eingreifen, wenn zwar der Pflichtteilsergänzungsanspruch gegen den Erben nach § 2325 BGB verjährt ist, nicht aber der gegen den Beschenkten.[695] Dies ist durchaus möglich, und zwar in dem Fall, wenn der Pflichtteilsberechtigte fälschlich von einem unzureichenden Nachlass ausgegangen ist und nur den Beschenkten nach § 2329 BGB verklagt hat. Wegen der Selbstständigkeit der Ansprüche nach § 2325 BGB und § 2329 BGB hilft es nichts, wenn durch die Klageerhebung die Verjährung des Anspruchs nach § 2329 BGB gehemmt ist; denn dieser besteht nur, wenn und seit der Erbe zahlungspflichtig ist.
Rz. 273
Praxishinweis
Die sofortige isolierte Inanspruchnahme des Beschenkten nach § 2329 BGB ist risikobehaftet.
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