Rz. 51

Unter ehebezogenen Zuwendungen versteht man solche, die Ehegatten zur Verwirklichung oder Ausgestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft vornehmen und denen die Erwartung oder Vorstellung zugrunde liegt, die eheliche Lebensgemeinschaft werde Bestand haben. Sie sind im Verhältnis der Ehegatten zueinander nach der Rechtsprechung des BGH keine Schenkungen.[159] Im Hinblick auf diesen besonderen Zuwendungszweck fehlt es nach der h.M. regelmäßig an der für die Annahme einer Schenkung erforderlichen Schenkungsabsicht; vielmehr werden sie als besonderes Rechtsgeschäft familienrechtlicher Art angesehen.[160] Da die Anwendung des § 2325 BGB aber an sich das Vorliegen einer Schenkung voraussetzt, würde wegen des Fehlens des subjektiven Tatbestandsmerkmals der Schenkungsabsicht eine unbenannte (auch ehebezogene oder ehebedingte) Zuwendung nicht der Pflichtteilsergänzung unterliegen. Dann würde aber der von § 2325 BGB verfolgte Schutz des Pflichtteilsberechtigten gegen lebzeitige Übertragungen für den bedeutsamen Bereich der ehebezogenen Zuwendungen ins Leere gehen. Das Gleiche würde für die anderen erbrechtlichen Schutzvorschriften gelten, die gegen Schenkungen wirken sollen (§§ 2213, 2205, 2287, 2288 BGB). Der BGH begnügt sich daher für das Eingreifen dieser erbrechtlichen Schutzbestimmungen mit der objektiven Unentgeltlichkeit.[161] Objektiv unentgeltlich ist eine Zuwendung, auf die kein Rechtsanspruch besteht, dann, wenn sie rechtlich nicht vom Erwerb einer ausgleichenden Gegenleistung abhängig ist.[162] Die Ehe allein gibt im Allgemeinen keinen Anspruch auf derartige Vermögenszuwendungen. Auch die Haushaltsführung ist keine Gegenleistung für ehebezogene Zuwendungen des anderen Ehegatten, sondern meist ein Beitrag zum geschuldeten Familienunterhalt. Hinzu kommt, dass Leistungen, die über das gebotene Maß hinausgehen, nach § 1360b BGB im Zweifel nicht zu vergüten sind. Daher ist nach Ansicht des BGH die ehebezogene Zuwendung in der Regel als unentgeltliche Leistung anzusehen.

 

Rz. 52

Nur wenn die Zuwendung nach den konkreten Verhältnissen als angemessene Alterssicherung des Empfängers[163] oder der nachträglichen Vergütung langjähriger Dienste dient[164] (hier ist aber § 1360b BGB zu beachten) oder unterhaltsrechtlich geschuldet ist[165] oder wenn sonst eine adäquate Gegenleistung vorliegt, kann ausnahmsweise eine objektiv angemessene entgeltliche ehebezogene Zuwendung vorliegen.[166] Die Instanzgerichte haben diese Grundsätze auch bei der nichtehelichen Lebensgemeinschaft angewandt.[167] Der BGH trägt mit dieser Rechtsprechung dem Gedanken der objektiven Entgeltlichkeit (siehe Rdn 32) in § 2325 BGB Rechnung, weil es auf die subjektiven Vorstellungen der Beteiligten für die Anwendung dieser Vorschrift nicht ankommt. Zugleich hat er damit der Literaturmeinung bewusst eine Absage erteilt, wonach Zuwendungen bis zur Grenze des hälftigen Zuerwerbs in der Ehezeit, entsprechend dem Halbteilungsgrundsatz des Zugewinnausgleichs, der Pflichtteilsergänzung entzogen wären.[168]

 

Rz. 53

Die Entscheidung des BGH ist teilweise erheblich kritisiert worden,[169] hat aber auch vielfach Zustimmung erfahren.[170] Methodisch geht es dabei um die Einordnung gesetzlich geregelter Rechtsfolgen (hier § 2325 BGB) auf einen nicht ausdrücklich normierten Vertragstypus.[171] Ausgehend vom Normzweck des § 2325 BGB (siehe Rdn 1) muss man dem BGH im Grundsatz beipflichten. Im Rahmen der hier erforderlichen typologischen Zuordnung ist es dabei auch möglich, das Innenverhältnis der Ehegatten, also den eigentlichen Anwendungsbereich dieser Rechtsfigur (z.B. Rückforderungsrechte, Ausgleich im Scheidungsfall), nach anderen Regeln zu behandeln als das Außenverhältnis mit Behandlung von Drittansprüchen und steuerlichen Fragen.[172] Vielfach wird jedoch kritisiert, dass die ehebezogenen Zuwendungen eine Vielzahl von Fallgruppen erfassen, diese aber vom BGH ohne weitere Differenzierung völlig gleichbehandelt werden.[173]

 

Rz. 54

So unterscheidet etwa Jaegervier typische Sachverhalte für die ehebezogene Zuwendung:[174]

Verschaffung von Mit- oder Alleineigentum am Familienwohnheim;
Zuwendung an den anderen Ehegatten für Investitionen in dessen Unternehmen oder zur Existenzgründung;
aus Gründen der Haftungsreduzierung erfolgende Übertragung (Unternehmer an seinen Ehegatten).
Zuwendungen zur Sicherung der Altersvorsorge für den anderen.
[159] Zur Abgrenzung Waas, FamRZ 2000, 453 ff.
[160] Vgl. etwa BGHZ 84, 361, 364; MüKo-BGB/Lange, § 2325 Rn 23; MüKo-BGB/J. Koch, § 516 Rn 60–77; eingehend zur Behandlung der ehebezogenen Zuwendung und zur Ehegatteninnengesellschaft, auf die der BGH nunmehr für die Bildung von ehelichem Vermögen wiederum abstellt (BGH NJW 1999, 2962; dazu bereits Blumenröhr, in: FS Odersky, 1996, S. 517, 520), Haas, FamRZ 2002, 205. Teilweise wird sogar eine entgeltliche Zuwendung angenommen, vgl. etwa Jaeger, DNotZ 1991, 431; Kleinle, FamRZ 1997, 1383 m.w.N. zur Rspr.
[161] BGHZ 116, 167, 170 ff. = NJW 1992, 564 = FamRZ 1992, 300 (zu § 22...

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