Rz. 261

Bei schweren Verfahrensfehlern, insbesondere beim Fehlen von Verfahrensvoraussetzungen, ist auch ein materiell richtiger Erbschein einzuziehen (h.M., die über den Wortlaut des § 2361 BGB hinausgeht; vgl. Muster Rdn 263).[157]

Beispiele aus der Rechtsprechung:

Erteilung abweichend vom Antrag oder ohne Antrag;[158]
Antragstellung durch einen nicht antragsberechtigten Beteiligten (jedoch kann dieser Verstoß geheilt werden, wenn der Antragsberechtigte die Erteilung des Erbscheins nachträglich ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt);[159]

Zuständigkeitsverstöße:[160]

Bei Verstößen gegen die örtliche Zuständigkeit sind auch sachlich richtige Erbscheine einzuziehen.[161] Sonst bestünde die Gefahr widersprechender Erbscheine, da auch beim örtlich zuständigen Gericht ein Erbschein erteilt werden könnte.

Bei Verstößen gegen die funktionelle Zuständigkeit ist zu differenzieren:

Ein Einziehungsgrund ist gegeben, wenn der Rechtspfleger einen Erbschein aufgrund gewillkürter Erbfolge erteilt, wenn hier nicht die Möglichkeit der Übertragung durch den Richter gem. §§ 8 Abs. 4, 16 Abs. 3 RPflG bestand.
Dagegen ist der Erbschein nicht einzuziehen, wenn deutsches Erbrecht anwendbar ist und der Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge zu erteilen war. Dazu führte das BayObLG[162] aus:

Zitat

"Hat der Rechtspfleger einen Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge nach deutschem Recht erteilt, so ist dieser nicht unrichtig, auch wenn für die Entscheidung über die Erteilung der Richter zuständig gewesen wäre, weil ein Beteiligter das Vorliegen eines Testaments behauptet hat. Das Nachlassgericht darf einen Erbschein nicht schon deshalb einziehen, weil sich aufgrund neuer Umstände oder vorläufiger Ermittlungen die Möglichkeit seiner Unrichtigkeit ergibt. Es darf über die Einziehung erst entscheiden, nachdem es den für die Beurteilung der Richtigkeit maßgeblichen Sachverhalt abschließend aufgeklärt hat."

 

Rz. 262

 

Hinweis

Die Einziehung erfolgt von Amts wegen. Ein in der Praxis üblicher "Antrag" eines Beteiligten ist als Anregung zu werten, § 24 FamFG.

[157] Vgl. Grüneberg/Weidlich, § 2361 BGB Rn 2.
[158] BayObLG NJW-RR 1997, 1438; BayObLGZ 1994, 73.
[159] BGHZ 30, 220; BayObLGZ 1951, 561.
[160] BayObLG Rpfleger 1981, 112; OLG Hamm OLGZ 1972, 352.
[162] BayObLG FamRZ 1997, 1370.

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