Andre Naumann, Christian Brinkmann
A. Zweck
Rz. 1
Der Versicherungsschutz erstreckt sich auf die gesundheitlichen Folgen eines konkreten Unfallereignisses. Unfallfremde Gesundheitsbeeinträchtigung sollen nicht entschädigt werden. Zur Klarstellung der anteiligen Leistungspflicht des VR für den ausschließlich auf den Unfall zurückzuführenden Gesundheitsschaden wurden die Regelungen zur Mitwirkung von Krankheiten und Gebrechen in das VVG und die AUB aufgenommen. Überlagern sich sowohl Unfallfolgen als auch unfallfremde Krankheiten oder Gebrechen, muss der VR nicht für die gesamte Gesundheitsbeeinträchtigung einstehen. Er kann sich andererseits aber auch nicht wegen einer anteiligen Mitwirkung von Erkrankungen oder Gebrechen vollständig aus der Leistungspflicht befreien, sondern haftet für den unfallbedingten Anteil des Gesundheitsschadens.
Die Regelungen zur Mitwirkung sind in der Schadenpraxis besonders bedeutsam, da häufig erst anlässlich eines Unfallereignisses eine bereits vorher bestehende körperliche Veränderung zu behandlungsbedürftigen Gesundheitsproblemen führt bzw. im Rahmen der Behandlung von Unfallfolgen festgestellt wird. Auch wird nicht selten über die Frage gestritten, ob der konkrete Gesundheitszustand der VP vor dem Unfall so zu werten ist, dass bereits eine Krankheit oder ein Gebrechen vorlag. In diesem Zusammenhang ist auch die Auskunftsobliegenheit des VN zu beachten.
B. Krankheiten und Gebrechen
I. Begrifflichkeiten
Rz. 2
Krankheiten und Gebrechen sind keine sich ausschließenden Begriffe, sondern werden als Einheit verstanden. Der Gesetzgeber beschreibt diese Einheit in der amtlichen Begründung zu § 182 VVG n.F. als eine "bestehende gesundheitliche Beeinträchtigung".
Eine Krankheit ist eine Störung der Lebensvorgänge in Organen oder im gesamten Organismus mit der Folge von subjektiv empfundenen bzw. objektiv feststellbaren körperlichen, geistigen bzw. seelischen Veränderungen. Das OLG Hamm hat in einer Entscheidung zur Krankheitskostenversicherung eine Krankheit als anormalen geistigen oder körperlichen Zustand des Versicherten definiert. Abzustellen ist auf den objektiv vorhandenen und ärztlich festzustellenden Körperzustand, unabhängig davon, ob der VN davon Kenntnis besitzt oder die VP sich krank fühlt.
Rz. 3
Unter Gebrechen versteht man einen dauernd abnormen Gesundheitszustand, der eine einwandfreie Ausübung der normalen Körperfunktionen nicht mehr zulässt. Eine konstitutionelle Schwäche oder eine erhöhte Krankheitsdisposition stellen für sich keine Gebrechen dar.
Rz. 4
Bei Krankheiten und Gebrechen ist auf den altersentsprechenden Normalzustand abzustellen, nicht auf einen abstrakten Idealzustand. Altersentsprechender Verschleiß gilt somit nicht als Krankheit oder Gebrechen. So ist weder die grundsätzlich im Vergleich zu jungen Menschen bei älteren Personen verringerte Widerstandsfähigkeit, noch eine altersgemäße Aderverkalkung, Osteoporose oder Arthrose eine Krankheit oder ein Gebrechen. Ob von Geburt an bestehende Körperzustände als Krankheit oder Gebrechen zu bewerten sind, ist daran zu messen, ob dieser Zustand noch innerhalb der Norm liegt. Das kann nur im konkreten Fall entschieden werden. Zu unterscheiden bleibt der altersentsprechende Verschleiß vom belastungsentsprechenden Verschleiß. Gerade die erhöhte Belastung von Gliedmaßen bei bestimmten sich regelmäßig wiederholenden Tätigkeiten (z.B. der Arm eines Tennisspielers) kann zu einem über die Altersnorm hinausgehenden Verschleiß führen, der im Rahmen der Mitwirkungsregelung leistungskürzend zu berücksichtigen ist.
Rz. 5
Beispiele für Krankheiten und Gebrechen
Bejaht:
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Herzmuskelschwäche und Herzrhythmusstörung |
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Herzleiden |
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Alkoholbedingte Vorschädigungen der Organe |
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Macumarbehandlung (wird einer Krankheit bzw. einem Gebrechen gleichgesetzt) |
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Adipositas per magna (Fettsucht) |
Zu bejahen auch bei:
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künstlichen Gelenken |
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insulinpflichtiger Diabetes |
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sog. Glasknochen |
Verneint bei:
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einer dünnen Schädeldecke, soweit noch innerhalb der Norm |
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schwachen inneren Organen, soweit noch innerhalb der Norm |
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Hautfalte im Augenbereich |
Zu verneinen auch bei:
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Zahnkrone oder künstlichem Gebiss |
Umstritten:
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bei Allergie gegen Insektengift |