Rz. 90

Ein Reparaturschaden liegt vor, wenn die Wiederherstellung des früheren Zustandes technisch möglich und nach den vorgenannten Grundsätzen der Rechtsprechung wirtschaftlich sinnvoll ist.

1. Konkrete Abrechnung

a) Voraussetzungen

 

Rz. 91

Grundsätzlich hat der Geschädigte Anspruch auf Ersatz der konkret nachgewiesenen und tatsächlich entstandenen Reparaturkosten. Es gibt nur folgende Einschränkungen:

Sie dürfen – zusammen mit einer eventuell trotz Reparatur verbleibenden merkantilen Wertminderung – den Wiederbeschaffungswert nicht um mehr als 30 % übersteigen ("130-%-Rechtsprechung des BGH", siehe oben Rdn 75 ff.) – Ausnahme: Oldtimer;
keine beiläufige Mitreparatur von Vorschäden, auch nicht desselben Unfallereignisses (z.B.: Der Mandant ist zunächst auf ein Fahrzeug aufgefahren, dann fuhr der Anspruchsgegner auf);
bei Wertverbesserung: Abzüge neu für alt.
 

Rz. 92

Für den Ersatzanspruch ist es unerheblich, ob das Fahrzeug in einer Fachwerkstatt oder in einer Karosserie- oder Hinterhofwerkstatt repariert wurde. Bei der konkreten Abrechnung werden allerdings auch nur die tatsächlich nachgewiesenen Aufwendungen ersetzt. Das bedeutet, dass sich der Geschädigte im Rahmen der konkreten Schadensabrechnung auch einen Werksangehörigenrabatt anrechnen lassen muss, den er auf die Reparaturkosten erhält (BGH v. 18.10.2011 – VI ZR 17/11 – VersR 2011, 1582).

 

Rz. 93

 

Tipp

Es sollte immer versucht werden, mit der Werkstatt einen vorläufigen Verzicht auf das Werkunternehmerpfandrecht gegen Unterzeichnung einer Sicherungsabtretungserklärung oder Vorlage einer Reparaturkostenübernahmeerklärung des Versicherers auszuhandeln. Das ist für den Mandanten angenehmer, da er sein Auto nach der Reparatur abholen kann, ohne die Reparaturrechnung bezahlen zu müssen.

b) Abtretung des Reparaturkostenanspruchs

 

Rz. 94

Die Sicherungsabtretung erfolgt nur erfüllungshalber, nicht an Erfüllungs statt. Sie führt also nicht zum Erlöschen der Forderung der Werkstatt gegenüber dem Kunden. Die Werkstatt kann jederzeit ihr Entgegenkommen aufgeben und auf Bezahlung durch den Kunden bestehen. Schließlich trägt die Werkstatt den Zinsverlust, ohne dass sie ihn gegenüber dem gegnerischen Versicherer durchsetzen könnte (mittelbarer Drittschaden).

 

Rz. 95

Abhilfe für die Werkstatt böte allenfalls eine Individualabrede mit dem Kunden, nur dann eine Sicherungsabtretung zu akzeptieren, wenn im Gegenzuge der Zinsschaden dem Kunden berechnet werde, was in der Praxis aber kaum vorkommt.

 

Rz. 96

Prozessual bedarf es daher auch keiner Rückabtretung, was immer wieder fälschlicherweise von Gegenanwälten und Gerichten verlangt wird, sondern es muss lediglich in Prozessstandschaft geklagt werden (Zahlung in Höhe der Reparaturkosten an die Werkstatt). Vgl. dazu oben § 4 Rdn 14.

 

Rz. 97

Eine Rückabtretung wäre für die Werkstatt auch unzumutbar, solange der Kunde nicht auch im Gegenzuge gezahlt hat: Sie verlöre dann ihre Sicherheit, und bei negativem Prozessausgang und zwischenzeitlich eingetretener Zahlungsunfähigkeit des Kunden trüge sie allein das Ausfallrisiko.

 

Rz. 98

Allerdings dürfte die Sicherungsabtretung tatsächlich nur als Stundung der Forderung gegenüber dem Geschädigten anzusehen sein (OLG Hamm zfs 1993, 158).

c) Prognoserisiko

 

Rz. 99

Der Geschädigte kann einen ihm tatsächlich entstandenen höheren Schaden durch Vorlage der Reparaturrechnung nachweisen und beanspruchen. Ein solcher Fall kann eintreten, wenn sich erst im Zuge der Reparatur weitere, von dem Sachverständigen bis dahin nicht festgestellte oder feststellbare Schäden (z.B. erst bei vollständiger Demontage erkennbare weitere Unfallschäden) offenbaren.

 

Rz. 100

Das so genannte Werkstatt- und Prognoserisiko sowohl im Hinblick auf höhere Reparaturkosten als auch auf einen längeren Werkstattaufenthalt trägt allein der Schädiger (BGHZ 63, 182 = NJW 1975, 160; BGH NJW 1978, 812; 1972, 1800).

 

Rz. 101

 

Tipp

Es empfiehlt sich, durch den beauftragten Sachverständigen ein Nachtragsgutachten anfertigen zu lassen, sobald die Werkstatt bemerkt, dass das bis dahin geschätzte Reparaturvolumen überschritten wird. Damit kann der häufige Streit über die Erforderlichkeit der Reparaturerweiterung in der Regel vermieden werden. In jedem Falle sollte aber der ursprünglich vom Geschädigten beauftragte unabhängige Sachverständige die Nachbesichtigung vornehmen und nicht ein vom gegnerischen Versicherer entsandter hauseigener Sachverständiger.

2. Fiktive Abrechnung

 

Rz. 102

Der Geschädigte hat die Möglichkeit, ein Wahlrecht auszuüben. Beansprucht er Schadensersatz, ohne eine konkrete Reparaturrechnung vorzulegen, rechnet er fiktiv ab. Dabei kann er jedoch nach dem seit 1.8.2002 geltenden § 249 Abs. 2 S. 2 BGB keine Mehrwertsteuer mehr ersetzt verlangen (vgl. im Einzelnen Rdn 417 ff.).

 

Rz. 103

 

Anmerkung

Bei den Verkehrsjuristen hat sich der Begriff "fiktiver Schaden" und "fiktive Schadensberechnung" eingebürgert. Dogmatisch richtiger wäre jedoch der Begriff "normativer Schaden" und "normative Schadensberechnung".

 

Rz. 104

Es gibt viele Gründe, fiktiv abzurechnen:

Der Geschädigte will das Fahrzeug überhaupt nicht reparieren lassen, sondern es in beschädigtem Zust...

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