Rz. 273

Ferner kann unter Umständen auch bei fiktiver Abrechnung ein niedrigerer als der vom Sachverständigen für den regionalen Markt ermittelte Restwert zugrunde zu legen sein, wenn der Geschädigte das Fahrzeug nur zu diesem niedrigeren Preis veräußern konnte (BGH zfs 2006, 568 = VersR 2006, 1088 = DAR 2006, 496). Der BGH führt aus, dass in diesem Fall keine unzulässige Kombination konkreter und fiktiver Abrechnung vorläge, sondern lediglich – bei ausschließlich fiktiver Abrechnung – im Rahmen des § 287 ZPO der Restwert anhand des tatsächlichen Verkaufspreises bestimmt würde.

 

Rz. 274

Ein Problem könnte es möglicherweise darstellen, wenn der Geschädigte seinen Schaden zunächst über seinen Vollkaskoversicherer abrechnet. Dieser ist bekanntlich dazu berechtigt, einen eigenen Sachverständigen zu beauftragen (vgl. Rdn 11, Rdn 302, § 13 Rdn 247), dem es natürlich unbenommen ist, ein Restwertangebot aus dem Internet einzuholen. Dies folgt daraus, dass dann nicht allgemeines Schadensrecht, sondern Vertragsrecht gilt, wodurch die Rechtsprechung des BGH zu dieser Frage nicht anzuwenden ist. Es stellt sich sodann die Frage, ob der Geschädigte nach Abschluss der Kaskoregulierung gegenüber dem Haftpflichtversicherer des Schädigers unverändert auf der Basis eines ggf. vorliegenden Haftpflichtgutachtens abrechnen, also eine etwaige Differenz geltend machen kann, die sich aus den unterschiedlichen Restwertermittlungen zwischen Kaskogutachten und dem im Haftpflichtgutachten verzeichneten Restwert aus dem allgemein zugänglichen örtlichen Restwertmarkt ergibt. Der Haftpflichtversicherer könnte demgegenüber die Auffassung vertreten, dass sich der Geschädigte den Restwert des Kaskogutachtens entgegenhalten lassen muss mit der Folge, dass ihm ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht vorgeworfen werden kann, wenn er nicht nach den Werten des Kaskogutachtens abrechnet.

 

Rz. 275

Es dürfte wohl so sein, dass sich der Geschädigte im Haftpflichtfall auch ausschließlich nach den dort geltenden Regeln behandeln lassen muss und ihm Grundsätze aus dem Vertragsrecht mit seinem Kaskoversicherer nicht entgegengehalten werden können. Der BGH hat allerdings entschieden, dass der Geschädigte sich einen tatsächlich erzielten Restwerterlös anrechnen lassen muss, den er aufgrund einer Internetrecherche seines Vollkaskoversicherers in einer Restwertbörse erzielt hat (BGH v. 15.6.2010 – VI ZR 232/09 – VersR 2010, 1197 = NZV 2010, 443).

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