Rz. 98

Während die bloße Anerkennung mitgliedstaatlicher Entscheidungen automatisch erfolgt, setzt ihre Vollstreckung im Inland zuvor ein eigenes Verfahren nach Art. 43 ff. EuErbVO voraus. Die EuErbVO hält also an der Notwendigkeit des Exequaturs fest, welche im Rahmen der EuGVVO gerade erst aufgegeben wurde. Allerdings sind die Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung relativ niedrig angesetzt worden, um den Entscheidungen anderer Mitgliedstaaten schnell zur Durchsetzung zu verhelfen.

 

Rz. 99

Das Exequaturverfahren wird durch den Antrag eines Berechtigten eingeleitet (Art. 43 EuErbVO). Örtlich zuständig ist nach Art. 45 Abs. 2 EuErbVO das Gericht am Wohnsitz des Vollstreckungsschuldners ebenso wie das Gericht an dem Ort, an dem die Vollstreckung durchgeführt werden soll. Der Antragsteller kann zwischen diesen beiden Gerichten frei wählen. Dazu legt er dem Gericht gemäß Art. 46 Abs. 3 EuErbVO eine Ausfertigung der Entscheidung sowie eine Bescheinigung des Ursprungsgerichts nach dem einschlägigen Formblatt vor; besteht kein besonderer Klärungsbedarf, kann das über die Vollstreckung entscheidende Gericht nach Art. 47 Abs. 1 EuErbVO auch von der Vorlage dieser Bescheinigung absehen oder sich mit einer gleichwertigen Urkunde begnügen. Das Gericht prüft dann alleine, ob die Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar ist. Alle weiteren Einwände gegen die Vollstreckbarerklärung, insbesondere eine fehlende Anerkennungsfähigkeit der ausländischen Entscheidung nach Art. 40 EuErbVO, werden erst im Rechtsmittelverfahren beachtet (Art. 48 S. 1 EuErbVO). Der Vollstreckungsschuldner erhält in diesem Verfahrensabschnitt gemäß Art. 48 S. 2 EuErbVO noch nicht einmal die Gelegenheit, eine Erklärung abzugeben; damit ist sogar die Hinterlegung einer Schutzschrift bei Gericht ausgeschlossen.[94]

 

Rz. 100

Im Übrigen richtet sich das Verfahren der Antragstellung nach dem Recht des Vollstreckungsstaates (Art. 46 Abs. 1 EuErbVO), in Deutschland also nach dem IntErbRVG. Nach § 3 Abs. 1 IntErbRVG sind die Landgerichte sachlich ausschließlich zuständig für die Vollstreckbarerklärung; eine notarielle Urkunde kann nach Art. 3 Abs. 4 EuErbVO auch von einem Notar für vollstreckbar erklärt werden. Der Antrag auf Erteilung der Vollstreckungsklausel kann nach § 4 Abs. 2 IntErbRVG schriftlich oder mündlich zu Protokoll der Geschäftsstelle gestellt werden. Ein Anwaltszwang besteht im ersten Rechtszug gemäß § 5 Abs. 2 IntErbRVG nicht. Über die Erteilung der Vollstreckungsklausel entscheidet der Vorsitzende einer Zivilkammer (§ 3 Abs. 3 IntErbRVG) durch Beschluss nach § 7 IntErbRVG. Die Entscheidung ergeht regelmäßig ohne mündliche Verhandlung, sofern nicht eine mündliche Erörterung zur Beschleunigung des Verfahrens angezeigt und der Antragsteller mit ihr einverstanden ist. Anschließend erteilt der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle gemäß § 8 IntErbRVG auf der Grundlage des richterlichen Beschlusses die Vollstreckungsklausel. Die Zulassung der Zwangsvollstreckung bzw. die Ablehnung des Antrags werden dann dem Vollstreckungsschuldner bekanntgegeben nach § 9 IntErbRVG.

 

Rz. 101

Das Rechtsmittelverfahren ist in den §§ 10 ff. IntErbRVG geregelt. Hier hat der Vollstreckungsschuldner, der ja im bisherigen Verfahren noch nicht angehört wurde, erstmals Gelegenheit, Einwände gegen die Vollstreckbarerklärung vorzubringen. Zulässiges Rechtsmittel ist die Beschwerde, die gemäß § 10 Abs. 2 IntErbRVG beim iudex a quo einzulegen ist. Es besteht kein Anwaltszwang. Die Beschwerdefrist ergibt sich aus der EuErbVO; nach Art. 50 Abs. 5 EuErbVO hat der Vollstreckungsschuldner gegen die Erteilung der Vollstreckungsklausel innerhalb von 30 Tagen ab Zustellung den Rechtsbehelf einzulegen. Vollstreckungsschuldner mit Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat erhalten 60 Tage Zeit, während es für Schuldner aus Drittstaaten bei der strengeren 30-Tage-Frist bleiben soll. Die Frist gilt nach ihrem insoweit eindeutigen Wortlaut nicht für den umgekehrten Fall, dass der Antragsteller gegen die Ablehnung seines Antrags vorgehen will; hierfür sieht weder die EuErbVO noch das IntErbRVG eine Frist vor.[95]

 

Rz. 102

Der Schuldner kann sich nicht nur gegen die Erteilung der Vollstreckungsklausel wehren, sondern auch noch Rechtsschutz im Rahmen der Zwangsvollstreckung suchen, z.B. mit einer Vollstreckungsabwehrklage nach § 23 IntErbRVG.[96]

[94] Weber, in: Dutta/Weber, Internationales Erbrecht, 2016, Art. 48 EuErbVO Rn 4; NK-BGB/Makowsky, Bd. 6, 2. Aufl. 2015, Art. 48 EuErbVO Rn 4; BeckOGK/J. Schmidt, 1.12.2018, EuErbVO Art. 48 Rn 6.
[95] NK-BGB/Makowsky, Bd. 6, 2. Aufl. 2015, Art. 50 EuErbVO Rn 5.
[96] Dutta, in: Dutta/Weber, Internationales Erbrecht, § 23 IntErbRVG Rn 3; Kunz, GPR 2014, 285, 290.

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