Rz. 225

So wichtig die sorgfältige Konstruktion und Formulierung des Unternehmertestamentes ist, so wenig kann sie ihre eigentlich beabsichtigte Wirkung entfalten, wenn es an der Abstimmung von Testament und Gesellschaftsvertrag hapert. Insoweit gilt der eherne Grundsatz "Gesellschaftsrecht geht dem Erbrecht vor!"[312] D.h.: Bei Personengesellschaften bestimmt allein der Gesellschaftsvertrag darüber, ob der Anteil eines versterbenden Gesellschafters überhaupt vererblich ist.[313] Bei Kapitalgesellschaften ist zwar die Vererblichkeit von vornherein gegeben und kann auch durch den Gesellschaftsvertrag nicht ausgeschlossen werden.[314] Dennoch bestehen aber vielfältige Möglichkeiten, wie den Erben bzw. Vermächtnisnehmern angefallene Gesellschaftsanteile wieder entzogen werden können; Zwangseinziehungs- bzw. Zwangsabtretungsklauseln sind gerade bei Kapitalgesellschaften weit verbreitet.[315] Flankiert werden solche Regelungen zumeist von abfindungsbeschränkenden Vertragsklauseln, die in zulässiger Weise eine Abfindung der ausscheidenden Erben weit unter dem Verkehrswert der verlorengehenden Anteile statuieren. Umso wichtiger ist daher ein sinnvolles Ineinandergreifen der testamentarischen mit den gesellschaftsvertraglichen Anordnungen.

 

Rz. 226

Auch in steuerlicher Hinsicht ist eine Abstimmung zwischen Gesellschaftsvertrag und Testament unerlässlich. Gerade im Hinblick auf die bei Personengesellschaften – zu Recht – verbreiteten sog. Nachfolgeklauseln bestehen erhebliche Risiken bezüglich etwa vorhandenen Sonderbetriebsvermögens:

 

Rz. 227

Denn das dem Erblasser gehörende Sonderbetriebsvermögen wird unabhängig vom Gesellschaftsanteil nach allgemeinen Regeln vererbt, so dass es im Falle einer Erbenmehrheit der Erbengemeinschaft gesamthänderisch anfällt. Demzufolge werden alle Miterben automatisch entsprechend ihren jeweiligen Erbquoten auch Inhaber des Sonderbetriebsvermögens. Dies ist bei Vorliegen einer einfachen Nachfolgeklausel unproblematisch, da es zu keiner Trennung von Gesellschaftsanteil und Sonderbetriebsvermögen kommt. Alle Erben rücken (anteilig) in die Gesellschafterstellung nach und werden dadurch Mitunternehmer. Unterliegt die Nachfolge in den Gesellschaftsanteil aber einer qualifizierten Nachfolgeklausel, können nur die qualifizierten Erben Gesellschafternachfolger und damit Mitunternehmer werden. Das führt nach der Rechtsprechung[316] zu einer anteiligen Entnahme des Sonderbetriebsvermögens im Zeitpunkt des Erbfalls. Der Umfang dieser Zwangsentnahme richtet sich nach der quotenmäßigen Beteiligung der nicht in die Gesellschafterstellung nachrückenden Miterben am Sonderbetriebsvermögen.

 

Rz. 228

Die Entnahme des Sonderbetriebsvermögens und die damit verbundene Aufdeckung der stillen Reserven wird (gedanklich) dem Erblasser zugerechnet.[317] Daraus folgt zum einen, dass es sich bei den entsprechenden Einkommensteuerbelastungen um Nachlassverbindlichkeiten handelt, zum anderen, dass die Wirtschaftsgüter des (ehemaligen) Sonderbetriebsvermögens als Privatvermögen vererbt werden. Dies gilt auch für die erbschaftsteuerrechtliche Wertermittlung.

Selbst im Falle einer durch (Voraus-)Vermächtnis angeordneten Zuordnung des Sonderbetriebsvermögens zu einem qualifizierten Nachfolger ändert sich an den genannten Rechtsfolgen nichts.[318]

 

Rz. 229

In der Vergangenheit nahm die Rechtsprechung[319] sogar teilweise an, die zwangsweise Entnahme wesentlicher Betriebsgrundlagen im Sonderbetriebsvermögen führe zu einer Aufgabe des Mitunternehmeranteils insgesamt. Diese Sichtweise hat der BFH auch jüngst zur Ertragsteuer noch einmal bestätigt.[320] Dessen ungeachtet ist jedoch (zutreffend) anzunehmen, dass – nicht nur in ertragsteuerrechtlicher Hinsicht – die Zwangsentnahme auf das anteilige Sonderbetriebsvermögen beschränkt bleibt und den dem qualifizierten Nachfolger originär zugefallenen Teil nicht "infizieren" kann.[321]

Umfasst das Sonderbetriebsvermögen nur Wirtschaftsgüter, die keine wesentlichen Betriebsgrundlagen bilden, wirkt sich deren etwaige Entnahme nur negativ auf die Bemessungsgrundlage des Verschonungsabschlags (§ 13a Abs. 1 ErbStG) sowie den Umfang der Entlastungen nach §§ 19a, 28 und 28a ErbStG aus. Die Begünstigungsfähigkeit des Gesellschaftsanteils (Mitunternehmeranteils) an sich wird hierdurch nicht beeinträchtigt.[322]

[312] Vgl. Klein/Lindemeier, in: MünchHdB-GesR I, § 79 Rn 2.
[313] BGHZ 68, 225 (229) = NJW 1977, 1339; MüKo/Schäfer, § 727 Rn 28; Baumbach/Hopt/Roth, HGB, § 139 Rn 2; Klein/Lindemeier, in: MünchHdB-GesR I, § 11 Rn 21 und Klein/Lindemeier, in: MünchHdB-GesR I, § 79 Rn 14.
[314] Baumbach/Hueck/Servatius, GmbHG, § 15 Rn 9; Altmeppen, GmbHG, § 15 Rn 28; Scholz/Seibt, GmbHG, § 15 Rn 24 und 27 ff.
[315] Rowedder/Schmidt-Leithoff/Görner, GmbHG, § 15 Rn 135; Scholz/Seibt, GmbHG, § 15 Rn 29.
[318] Troll/Gebel/Jüliche...

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