I. Allgemeines

 

Rz. 8

Sinn und Zweck des Pflichtteilsrechtes ist es, den nächsten Angehörigen des Erblassers eine so genannte Mindestbeteiligung an dessen Nachlass zu sichern. Der Pflichtteilsanspruch ist ein reiner Geldanspruch in Höhe der Hälfte der gesetzlichen Erbquote. Der Anspruch entsteht gemäß § 2317 BGB mit dem Erbfall. Voraussetzung für seine Entstehung ist, dass der Erblasser eine oder mehrere pflichtteilsberechtigte Personen durch Verfügung von Todes wegen von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen hat. Pflichtteilsberechtigt nach § 2303 BGB sind die Abkömmlinge, der Ehegatte sowie die Eltern des Erblassers. Ab seiner Entstehung kann der Pflichtteilsanspruch geltend gemacht werden.

Der Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs sollte zunächst die Prüfung vorausgehen, ob der Pflichtteilsanspruch überhaupt entstanden oder rückwirkend entfallen ist. Hat der Pflichtteilsberechtigte bspw. bereits zu Lebzeiten auf sein Pflichtteilsrecht verzichtet, entsteht der Pflichtteilsanspruch nicht. Des Weiteren kann der Pflichtteilsanspruch aufgrund einer Erb- und Pflichtteilsunwürdigkeit oder einer rechtmäßigen Entziehung des Pflichtteils durch den Erblasser entfallen. Auch die Ausschlagung kann ggf. zu einem Verlust des Pflichtteilsanspruchs führen.

II. Erb- und Pflichtteilsunwürdigkeit gem. §§ 2339, 2345 Abs. 2 BGB

1. Allgemeines

 

Rz. 9

Eine Erb- und Pflichtteilsunwürdigkeit liegt vor, wenn der Erbe einen der in § 2339 BGB genannten Straftatbestände gegenüber dem Erblasser erfüllt hat. Dabei werden von dem Begriff der Erbunwürdigkeit nicht nur die Erben, sondern auch Vermächtnisnehmer und Pflichtteilsberechtigte umfasst (§ 2345 BGB). Eine Erbunwürdigkeit zieht demnach eine Pflichtteilsunwürdigkeit nach sich. Erb- und Pflichtteilsunwürdigkeit bedeutet, dass dem durch Erbfolge Berechtigten das Erbrecht im Nachhinein entzogen wird.

2. Gründe für die Erb- und Pflichtteilsunwürdigkeit

 

Rz. 10

Die Gründe für die Pflichtteilsunwürdigkeit sind in § 2339 BGB geregelt. Unwürdig ist danach, wer den Erblasser vorsätzlich oder widerrechtlich getötet oder zu töten versucht hat. Erbunwürdig ist grundsätzlich auch der Erbe, der versucht, den seit Jahren nicht mehr geschäftsfähigen Erblasser zu töten.[7] Gleiches gilt für den Fall, dass der Unwürdige den Erblasser in einen Zustand versetzt hat, der es dem Erblasser bis zum Tode unmöglich gemacht hat, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten (§ 2339 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Der Tatbestand der Pflichtteilsunwürdigkeit ist auch dann erfüllt, wenn der Pflichtteilsberechtigte den Erblasser durch arglistige Täuschung oder Drohung gehindert hat, ein Testament zu errichten oder aber auch zu vernichten. Hinsichtlich des Schuldbegriffs ist nach Ansicht des BVerfG auf den sog. natürlichen Schuldbegriff und nicht auf den strafrechtlichen Schuldbegriff abzustellen.[8]

 

Rz. 11

Unter § 2339 Abs. 1 Nr. 2 BGB fällt auch der Fall, dass der Pflichtteilsberechtigte es absichtlich unterlässt, dem Willen des Erblassers auf Vernichtung eines Testamentes nachzukommen, oder er den Erblasser in den Glauben versetzt, es genüge für die Errichtung einer Verfügung von Todes wegen eine Form, die tatsächlich nicht ausreichend ist.

 

Rz. 12

Pflichtteilsunwürdig ist auch derjenige, der durch arglistige Täuschung oder Drohung den Erblasser dazu bestimmt hat, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten (§ 2339 Abs. 1 Nr. 3 BGB), oder der sich in Ansehung einer Verfügung von Todes wegen der Urkundenfälschung strafbar gemacht hat.

 

Hinweis

Die Gründe, die eine Erbunwürdigkeit nach sich ziehen, sind nicht identisch mit denen in § 1381 BGB. Deshalb ist bei festgestellter Erbunwürdigkeit des Ehegatten sein Anspruch auf den Zugewinnausgleich nicht ausgeschlossen. Dieser kann ihm nur gem. § 1381 BGB bei grober Unbilligkeit aus wirtschaftlichen Gründen verweigert werden.[9]

[8] BVerfGE 112, 332.
[9] Palandt/Brudermüller, § 1381 Rn 2 ff.

3. (Gerichtliche) Durchsetzung

 

Rz. 13

Die Erbunwürdigkeit kann durch Anfechtungsklage gegenüber dem Unwürdigen festgestellt werden. Ist der Erbe selbst pflichtteilsberechtigt, dann ist in dem Antrag auf Feststellung der Erbunwürdigkeit i.d.R. auch eine Anfechtungserklärung nach § 2345 BGB zu sehen.[10] Anfechtungsberechtigt ist der Erbe oder derjenige, dem der Wegfall zustatten kommt. Die Anfechtungsklage ist nach § 2340 Abs. 2 S. 1 BGB erst nach dem Anfall der Erbschaft zulässig. Die Wirkung der Anfechtung tritt erst mit Rechtskraft des stattgebenden Urteils ein, § 2342 Abs. 2 BGB. Gemäß §§ 2340 Abs. 3, 2082 BGB beträgt die Anfechtungsfrist ein Jahr und beginnt mit Kenntnis des Anfechtungsgrundes.[11] Im Falle des § 2339 Abs. 1 Nr. 1 BGB ist allerdings nach einer Entscheidung des OLG Düsseldorf notwendig, dass der Anfechtungsberechtigte nicht nur Kenntnis von den objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmalen, sondern auch Kenntnis der schuldbegründenden Merkmale hat.[12] Die Anfechtungsklage muss vor den ordentlichen Gerichten geltend gemacht werden, eine Geltendmachung bspw. im Erbscheinsverfahren ist nicht möglich.[13] Nach h.M. handelt es sich bei der Anfechtungsklage um eine Gestaltungs- und nicht um eine Feststellungsklage, da die Wirkung der Anfechtungsk...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge