Rz. 86
Der Schenkungsbegriff des § 2325 Abs. 1 BGB deckt sich mit dem des § 516 Abs. 1 BGB. Danach sind zwei Voraussetzungen für das Vorliegen einer Schenkung maßgebend, zum einen die objektive Bereicherung des Dritten und zum andern das Einigsein zwischen Erblasser und Zuwendungsempfänger über die objektive Unentgeltlichkeit der Zuwendung. Entscheidend ist grundsätzlich nicht die Höhe des Vermögensabflusses, sondern das Maß der beim Zuwendungsempfänger bewirkten Bereicherung. Diese ist objektiv festzustellen.[136] Die Bemessungsgrundlage für den Pflichtteilsergänzungsanspruch ist somit der Wert der unentgeltlichen Zuwendung.[137] Bei Zuwendungen aus Lebensversicherungsverträgen waren dies nach h.M. lange Zeit die Prämienaufwendungen.[138] Während sich das LG Göttingen[139] und das LG Paderborn[140] der Auffassung in der Literatur[141] angeschlossen hatten, nach welcher grundsätzlich die Versicherungssumme maßgeblich ist, ging das OLG Stuttgart noch davon aus, dass es für die Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruches auf die Prämienzahlungen ankomme.[142] Der BGH hat diesen Streit mit seinen Urteilen vom 28.4.2010 zugunsten der Pflichtteilsberechtigten entschieden und ist hierbei von seiner bisherigen Rechtsprechung abgerückt.[143]
In den vom BGH entschiedenen Fällen hatte der Erblasser Bezugsrechte von Lebensversicherungen auf seine Verwandten übertragen und seine Söhne testamentarisch enterbt. Nach dem Tode des Erblassers machten die Söhne ihre Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend.
In diesem Zusammenhang stellte sich die Frage, wie der Wert der Bezugsrechte zu bemessen ist.
Bis zur grundlegenden Entscheidung des BGH im Jahr 2010 wurden diese Fälle wie oben dargestellt auf der Grundlage der Rechtsprechung des Reichsgerichts entschieden und auf die Prämienzahlungen abgestellt. Seitdem ist für die Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruches der Rückkaufswert maßgeblich, den die Lebensversicherung in der letzten juristischen Sekunde vor dem Tod des Erblassers hat. Zu berücksichtigen ist hierbei der von einem gewerblichen Aufkäufer real zu erzielende Aufkaufwert.
Individuelle subjektive Umstände seien nicht zu berücksichtigen, insbesondere nicht die schwindende Lebenserwartung des Schenkers infolge von Krankheit und Kräfteverfall, die in der Praxis den Aufkaufwert deutlich erhöhen könne.[144] Die unentgeltliche Überlassung von Wohnraum kann nach der Rechtsprechung des BGH nicht als Schenkung i.S.v. § 2325 BGB angesehen werden.[145]
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