aa) Der Grundsatz gewaltfreier Erziehung

 

Rz. 210

Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung, § 1631 Abs. 2 BGB.

"Gewalt" ist jedoch nicht der strafrechtliche Gewaltbegriff zu übernehmen.[170] Der Gewaltbegriff wird in § 1631 Abs. 2 S. 2 BGB konkretisiert mit "körperlichen Bestrafungen, seelischen Verletzungen und anderen entwürdigenden Maßnahmen".

Mit dem Verbot körperlicher Bestrafungen wird jede Form der Einwirkung auf den Körper des Kindes zum Zwecke der Erziehung für unzulässig erklärt. Den strafrechtlichen Rechtfertigungsgrund des elterlichen Züchtigungsrechtes gibt es nicht (mehr).

Ursprünglich hieß es in § 1631 Abs. 2 BGB:

Zitat

"Der Vater kann kraft des Erziehungsrechts angemessene Zuchtmittel gegen das Kind anwenden."

1957 wurde der Wortlaut zwar verändert, maßgeblich aber aus Gründen der Gleichberechtigung von Frauen und Männern.

Erst im Jahre 2000 wurde das Recht des Kindes auf gewaltfreie Erziehung eingeführt, obwohl übrigens die UN-Kinderrechtskonvention schon seit dem Jahre 1989 die gewaltfreie Erziehung für Kinder eingefordert hatte.

Und auch anschließend war man sich in unserer Gesellschaft noch nicht einig:

So formulierte Diederichsen noch 2012 in der 71. Auflage des Palandt[171] in der Kommentierung zu § 1631 BGB:

Zitat

"Körperliche Züchtigungen sind … kein institutionalisiertes Erziehungsmittel mehr."

Erst nach Übernahme der Kommentierung durch Frau Dr. Götz[172] wurde der Satz in der 72. Auflage ersetzt wie folgt:

Zitat

"Körperliche Züchtigungen sind unzulässig."

[170] BT-Drucks 14/1247, 7.
[171] Palandt/Diederichsen, 71. Aufl., § 1631 Rn 5 ff. (ab 81. Aufl.: Grüneberg/Bearbeiter*in).
[172] Palandt/Götz, 72. Aufl., § 1631 Rn 5 ff.

bb) Vereinbarung gewaltfreier Erziehung

 

Rz. 211

Auch wenn die Pflicht zur gewaltfreien Erziehung von Kindern gesetzlich normiert ist, kann es Anlass geben, ausdrücklich die Gewaltfreiheit in eine Vereinbarung zu fassen.

Hat sich ein Elternteil im Zeitraum des Zusammenlebens der Familie solcher Übergriffe schuldig gemacht, ist es sinnvoll, die Gewaltfreiheit ausdrücklich zu betonen.

Wollen Kindeseltern die Ehe miteinander schließen und hat es Tätlichkeiten eines Elternteils gegeben, könnte eine Vereinbarung wie folgt getroffen werden:

Muster 7.65: Vereinbarung gewaltfreier Erziehung

 

Muster 7.65: Vereinbarung gewaltfreier Erziehung

1. Herr A hat in der Vergangenheit gegen die Verpflichtung zur gewaltfreien Erziehung unseres Kindes verstoßen. Er bedauert dies und hat sich insoweit auch einer therapeutischen Behandlung unterzogen. Dies vorausgeschickt vereinbaren die Beteiligten:
2. Es bleibt bei der gemeinsamen elterlichen Sorge der Erschienenen für das gemeinsame Kind K im Falle unserer Eheschließung. Für den Fall, dass Herr A zukünftig gegen das Gewaltverbot gem. § 1631 Abs. 2 BGB verstößt, wird Frau B die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf sich bei dem zuständigen Familiengericht beantragen. Herr A versichert, dem Antrag in einem solchen Fall zuzustimmen.
3. Den Beteiligten ist bekannt, dass die vorstehenden Vereinbarungen beiderseits jederzeit widerrufbar sind.

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