Rz. 53

Auch während eines laufenden Zivilprozesses kann es für den Mandanten bisweilen ratsam sein, einen Vergleich abzuschließen. Das Gericht soll in jeder Verfahrenslage darauf hinwirken, § 278 Abs. 1 ZPO. Zwar sind dann schon – im Gegensatz zu einer vorgerichtlichen Einigung – regelmäßig zusätzliche Kosten entstanden. Eine Einigung bietet sich aber dennoch an, wenn die Erfolgsaussichten für die Fortführung der Klage – oder für die Verteidigung – ungewiss sind und durch den Vergleich einschließlich der Kostenregelung wenigstens ein Teil des Begehrens durchgesetzt werden kann. Außerdem dient jeder Vergleich der Rechtsbefriedung und kann gerade in einer besonderen persönlichen Beziehung (Nachbar-, Miet-, Familienverhältnis) oder fortbestehenden Vertrags-/Geschäftsbeziehung einer streitigen Entscheidung vorzuziehen sein.

 

Rz. 54

Bei der Mitwirkung und Abfassung hat der Anwalt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung auf Folgendes zu achten:

Zitat

"Ein Rechtsanwalt, der beim Abschluss eines Vergleichs mitwirkt, hat bei der Abfassung des Vergleichstextes für eine vollständige und richtige Niederlegung des Willens seines Mandanten und für einen möglichst eindeutigen und nicht erst der Auslegung bedürftigen Wortlaut zu sorgen."[22]

 

Rz. 55

Die Sachbearbeitung kann beim Vergleichsabschluss problematisch werden, wenn der Mandant noch eine längere Überdenkungszeit benötigt, als eigentlich vorgesehen war. Insofern ist von Bedeutung, dass die Prozessparteien eine in einem Prozessvergleich wirksam vereinbarte Widerrufsfrist vor deren Ablauf ohne Mitwirkung des Gerichts verlängern dürfen. Zudem kann auch ein im Prozessvergleich nicht enthaltenes Widerrufsrecht von den Parteien nachträglich wirksam vereinbart werden. Dann müssen aber die für den Prozessvergleich geltenden Förmlichkeiten eingehalten werden und die prozessbeendende Wirkung des Vergleichs darf noch nicht eingetreten sein.[23]

 

Rz. 56

Beim Vergleichsabschluss ist Folgendes von Relevanz:

Der Vorteil eines Vergleichsabschlusses liegt für den Kläger in einer schnellen teilweisen Anspruchs-/Forderungserfüllung.
Abzuschätzen sind die Erfolgsaussichten anhand der bisherigen Sach- und Beweislage sowie der zu erwartende weitere Verfahrensverlauf.
Bei schlechten Erfolgsaussichten kann für jede der Parteien sogar ein vollständiges Nachgeben in der Sache bei Kostenaufhebung schon ein Erfolg sein.
Der Rechtsanwalt des Beklagten darf nur dann einen Vergleich schließen, wenn sein Mandant den Vergleich auch tatsächlich erfüllen kann. Anderenfalls würde jener einen (versuchten) Prozessbetrug begehen. Wenn der beklagte Mandant also nicht in der Lage ist, eine bestimmte Summe zu zahlen, muss er das auch sagen. Bei entsprechenden Anhaltspunkten muss sein Anwalt nachfragen. Auf jeden Fall sollten schwache wirtschaftliche Verhältnisse des Beklagten zumindest als Protokollerklärung zur Vermeidung einer (klägerseits eventuell nachträglich behaupteten) Täuschung über die fehlende oder geminderte Zahlungsfähigkeit festgehalten werden.
Wird schon im Prozesskostenhilfeverfahren ein Vergleich geschlossen, ist zu berücksichtigen, dass keine Kostenerstattung in Betracht kommt.
Wurde dem Mandanten Prozesskostenhilfe für den Rechtszug bewilligt, erstreckt sich diese auch auf die Kosten eines Prozessvergleichs.[24] Regelt dieser auch andere Gegenstände als den Streitgegenstand, muss für diesen sog. Mehrvergleich erneut Prozesskostenhilfe beantragt werden und zwar vor dem Vergleichsabschluss.
Schließen die Parteien einen außergerichtlichen Vergleich und erledigen dadurch die bereits rechtshängige Klage, gehört der Vergleich ebenfalls zum Rechtszug.[25]
Steht in zweiter Instanz ein Vergleich an, sollte der Rechtsanwalt des Klägers darauf drängen, dass zur Sicherung der Forderung vereinbart wird, dass sich eine vorhandene Bankbürgschaft auch auf die Vergleichssumme bezieht.

Bei einem Ratenzahlungsvergleich ist eine Verfallklausel für den Fall des Nichtzahlens einer (oder mehrerer) Raten aufzunehmen.

 

Formulierungsbeispiel:

"[…] Der Beklagte darf die Vergleichssumme in monatlichen Raten von […] EUR zahlen, beginnend ab dem [...], jeweils zum 15. eines jeden Monats. Gerät der Beklagte mit einer Rate auch nur teilweise in Verzug, ist der gesamte Restbetrag sofort zur Zahlung fällig und ab diesem Zeitpunkt mit Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen. […]"

Wurde ein gerichtliches Sachverständigengutachten eingeholt und stützt sich der Vergleich auf dessen Begutachtung, gilt: Auch wenn die Begutachtung falsch war, scheidet eine Haftung des Sachverständigen aus, § 839a BGB.[26] Ggf. ist das gerichtliche Gutachten vor einem Vergleichsabschluss von einem Privatsachverständigen prüfen zu lassen. Stellt sich heraus, dass der gerichtlich bestellte Sachverständige zu einem falschen Ergebnis gekommen ist, sollte das Privatgutachten im Prozess vorgelegt werden.
Für beide Seiten kann es sinnvoll sein, alle wechselseitigen Ansprüche mit dem Vergleich endgültig zu erledigen un...

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