Rz. 232

Kapitalgesellschaften sind die in § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG erwähnten Europäischen Gesellschaften, Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Die weiteren in § 1 Abs. 1 KStG erwähnten Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen können danach keine Organgesellschaften sein.

 

Rz. 233

Eine nach ausländischem Recht eines EU/EWR-Mitgliedstaates gegründete Gesellschaft, die einer nach inländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaft vergleichbar ist, ist als Körperschaft i.S.d. § 1 Abs. 1 KStG zu qualifizieren. Damit sind diese Gesellschaften unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig, wenn sie Geschäftsleitung oder Sitz im Inland haben. Allerdings ist bisher noch nicht geklärt, ob sie das als Kapitalgesellschaft gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG einerseits oder lediglich als sonstige juristische Person i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG oder nichtrechtsfähiger Verein, Anstalt, Stiftung oder sonstiges Zweckvermögen nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 3 Abs. 1 KStG, die nicht Organgesellschaften sein können, andererseits sind.[204] Insoweit bietet auch das BMF-Schreiben vom 19.3.2004 keinen Aufschluss.[205] Der BFH hat insoweit bisher regelmäßig § 1 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 3 Abs. 1 KStG auf solche Körperschaften angewendet, weil Gesellschaften mit statutarischem Sitz im Ausland und Verwaltungssitz im Inland nach der in Deutschland geltenden Sitztheorie die Rechtsfähigkeit fehle.[206]

 

Rz. 234

Demgegenüber hat die Verlegung von Geschäftsleitung (und/oder Sitz) der nach ausländischem Recht gegründeten Gesellschaft aus dem Ausland in das Inland im Hinblick auf die einschlägige Rechtsprechung – insbesondere des EuGH – auch vor dem Hintergrund der nach deutschem Zivilrecht geltenden Sitztheorie nicht mehr die Auflösung der ausländischen Gesellschaft zur Folge, sofern der ausländische Staat – was regelmäßig der Fall sein dürfte – keine Auflösung aufgrund des Wegzugs anordnet.[207] Vielmehr behält diese Gesellschaft die ihr von dem ausländischen Staat verliehene Rechtsfähigkeit. Für Zuzüge aus der EU hat dies der EuGH in seiner Entscheidung in der Rechtssache Vale[208] klargestellt. Die Rechtsprechung deutscher Zivilgerichte folgt dem mittlerweile.[209]

 

Rz. 235

Grundsätzlich ist danach eine ausländische Gesellschaft, die einer inländischen Kapitalgesellschaft vergleichbar ist, auch als Kapitalgesellschaft i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG zu qualifizieren, so dass sie als Organgesellschaft in Betracht kommt.[210]

[204] Siehe Neumann, in: Gosch, KStG, § 14 Rn 50; Birk, IstR 2003, 469, 470 f.; Sedemund, BB 2003, 1362 f.; Meilicke, GmbHR 2003, 793, 801; Schnittker, StuW 2004, 39 f.; Röhrbein/Eicker, BB 2005, 465, 473.
[205] BMF-Schreiben v. 19.3.2004, BStBl I 2004, 411; vgl. dazu Röhrbein/Eicker, BB 2005, 465, 473.
[206] Vgl. BFH, Urt. v. 23.6.1992, R 182/87, BStBl II 1992, 972; BFH, Urt. v. 1.7.1992, R 6/92, BStBl II 1993, 222; BFH, Beschl. v. 2.3.1994, B 189/93, BFH/NV 1994, 661; ähnlich BFH, Urt. v. 19.3.1996, R 15/94, BStBl II 1996, 312 zu § 17 EstG bzgl. Ausländischer Kapitalgesellschaft; insoweit ist unklar, ob der BFH die unbeschränkte Steuerpflicht einer Kapitalgesellschaft mit Sitz in Portugal und Geschäftsleitung in Deutschland auf § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG zu stützen beabsichtigt, BFH, Beschl. v. 15.7.1998, B 134/97, GmbHR 1999, 94 und BFH, Urt. v. 19.3.2002, R 15/01, BFH/NV 2002, 1411, in dem sie darauf hinweisen, dass Kapitalgesellschaften mit Geschäftsleitung oder Sitz im Inland nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig seien und auch ausländische Kapitalgesellschaften mit Geschäftsleitung im Inland unbeschränkt steuerpflichtig seien, ohne ausdrücklich deren Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG in Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung festzustellen.
[207] Vgl. EuGH, Urt. V. 27.9.1988, Rs. C-81/87 (Daily Mail), Slg. 1988, 5483; EuGH, Urt. V. 9.3.1999, Rs. C-212/97 (Centros), Slg. 2002, I-1459; EuGH, Urt. V. 5.11.2002, Rs. C-208/00 (Überseering), Slg. 2002, I-9919; EuGH, Urt. V. 30.9.2003, Rs. C-167/01 (Inspire Art), Slg. 2003, I-10155; BGH RIW 2000, 555; BGH ZIP 2003, 718; BFH BFH/NV 2003, 969; BFH GmbHR 2003, 722; vgl. auch zur grenzüberschreitenden Verschmelzung EuGH, Urt. v. 13.12.2005, Rs. C-411/03 (Sevic), IstR 2006, 32 und dazu Vorabentscheidungsersuchen des LG Koblenz IstR 2003, 736 m. Anm. Beul.
[208] EuGH v. 12.7.2012, Rs. C-378/10, VALE Építési kft. BB 2012, S. 2069.
[209] OLG Nürnberg, Beschl. v. 19.6.2013 – 12 W 520/13, "Moor Park II, hierzu Bungert/de Raet, DB 2014, 761."
[210] Vgl. Röhrbein/Eicker, BB 2005, 465, 473 f.

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