a) Wesentlicher Inhalt

 

Rz. 70

Ziel der in ihrer ursprünglichen Form bereits 1990 verabschiedeten Fusions-Richtlinie[66] ist die Anpassung von Unternehmen an die Erfordernisse des gemeinsamen Marktes, eine Erhöhung ihrer Produktivität und eine Stärkung ihrer Wettbewerbsfähigkeit auf internationaler Ebene durch Erleichterung der Verlagerung und Umstrukturierung der Unternehmenstätigkeit innerhalb der EU. Die Umstrukturierungen sollen nicht durch Liquiditätsbelastungen infolge von Gewinnrealisation und den damit verbundenen Steuerzahlungen beschränkt werden. Andererseits führt eine grenzüberschreitende Fusion zum Wegfall der übertragenden Gesellschaft als Steuersubjekt, so dass gleichzeitig sichergestellt werden muss, dass das Steueraufkommen des bisherigen Ansässigkeitsstaates der übertragenden Gesellschaft durch die grenzüberschreitende Umstrukturierung nicht negativ beeinflusst wird.

 

Rz. 71

Die Fusions-Richtlinie erreicht das Ziel der Sicherung des Steueraufkommens dadurch, dass die steuerneutrale Übertragung nur unter der Bedingung möglich ist, dass das übertragene Betriebsvermögen nach der Übertragung einer Betriebsstätte der übernehmenden Gesellschaft im Staat der übertragenen Gesellschaft zuzurechnen ist. Die für die Unternehmen wichtige Steuerneutralität sichert die Fusions-Richtlinie dadurch, dass sie die stillen Reserven nicht aufgrund der jeweiligen Umstrukturierungsmaßnahme aufdeckt und sofort besteuert, sondern die Besteuerung von stillen Reserven bis zum Zeitpunkt ihrer Realisierung, der i.d.R. durch die Veräußerung von Anteilen oder Unternehmensteilen eintritt, aufschiebt.[67]

[66] Richtlinie 2009/133/EG des Rates v. 19.10.2009 über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, Abspaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen, sowie für die Verlegung des Sitzes einer Europäischen Gesellschaft oder einer Europäischen Genossenschaft von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat, ABl EG Nr. L 310 v. 25.11.2009, S. 34 (vormals: Richtlinie 90/434/EWG des Rates v. 23.7.1990 über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen, ABl EG Nr. L 225, S. 1, geändert durch Beitrittsakte 1995, ABl EG Nr. L 1, S. 1/144).
[67] Rogall, RIW 2004, 272.

b) Tatbestandsvoraussetzungen

 

Rz. 72

Bestimmte zur Steuerneutralität berechtigende Vorgänge
zwischen Kapitalgesellschaften, die eine der im Anhang zur Richtlinie genannte Rechtsform aufweisen
unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht im Ansässigkeitsstaat (gem. Art. 3b und 3c der Richtlinie)
Zugehörigkeit der beteiligten Kapitalgesellschaft zu verschiedenen EU-Mitgliedstaaten
Betriebsstätten- und Steuerverhaftungsbedingung.

aa) Umsetzung der Richtlinie

 

Rz. 73

Nach Art. 12 der Fusions-Richtlinie war diese bis zum 31.12.1991 durch die Mitgliedstaaten in nationales Recht umzusetzen. Auf Vorschlag der EU-Kommission[68] hat der Rat der EU-Finanzminister[69] einige Änderungen der Fusions-Richtlinie beschlossen. Die im Rahmen dieser Änderungen hinzugekommenen Anpassungen waren in Bezug auf die Regelungen betreffend die Europäische Aktiengesellschaft (SE) und Europäische Genossenschaft (SCE) bis zum 1.1.2006, im Übrigen bis zum 1.1.2007 umzusetzen.

 

Rz. 74

Im Rahmen des am 13.12.2006 in Kraft getretenen Gesetzes über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften (SEStEG)[70] wurde das deutsche Umwandlungssteuergesetz vollständig neu gefasst.[71] Der persönliche Anwendungsbereich des Umwandlungssteuergesetzes wurde auf alle in der EU und EWR ansässigen Rechtsträger ausgedehnt und die Regelungen für Spaltung und Verschmelzung wurden kodifiziert.[72] Dadurch wurde die Möglichkeit zur grenzüberschreitenden Verschmelzung, jedoch nicht zur grenzüberschreitenden Spaltung geschaffen.[73]

[68] Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 90/434/EWG des Rates v. 23.7.1990 über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaftern verschiedener Mitgliedstaaten betreffen, KOM (2003) 613 endg.
[69] Richtlinie 2005/19/EG des Rates v. 17.2.2005 zur Änderung der Richtlinie 90/434/EWG über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen, ABl EG Nr. L 58 v. 4.3.2005, S. 19.
[70] Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften (SEStEG) v. 7.12.2006, BGBl I 2006, 2782.
[71] Vgl. Zweites Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes v. 19.4.2007, BGBl I 2007, 542.
[72] Vgl. Drinhausen/Keinath, BB 2006, 725 ff.; Haritz/Wolff, GmbHR 2006, 340 ff.; Neye/Timm, GmbHR 2007, 561 ff.
[73] Vgl. im Einzelnen Rödder/Schumacher, ...

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