Rz. 284

Der deutsche Steuergesetzgeber hat in den §§ 7 ff. AStG die sog. Hinzurechnungsbesteuerung geregelt, die die Ausnutzung des internationalen Steuergefälles aufgrund des DBA-Schutzes durch sog. ausländische Basisgesellschaften – die das AStG in § 8 als Zwischengesellschaften bezeichnet –, die im Ausland keine aktive Tätigkeit entfalten, verhindern soll.[297]

 

Rz. 285

Der Europäische Gesetzgeber hat zwischenzeitlich mit der ATAD-Richtlinie[298] eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten vorgesehen, eine Form der Hinzurechnungsbesteuerung einzuführen (Art. 7, 8 der ATAD-RL). Die Vorgaben der ATAD unterscheiden sich zwar von der gegenwärtigen Fassung der Hinzurechnungsbesteuerung in §§ 7 ff. AStG.[299] Da die Richtlinie als Mindeststandard konzipiert ist und die deutsche Form der Hinzurechnungsbesteuerung als die restriktivere Regelung angesehen wird, soll die Grundkonzeption der Hinzurechnungsbesteuerung erhalten bleiben, es sind allerdings erhebliche Änderungen im Detail vorgesehen.[300] Die wesentlichen Punkte der durch das ATAD-Umsetzungsgesetz vom 25.5.2021 ("ATAD-UmsG")[301] eingeführten Änderungen sind:

die Änderung desgegenwärtige Beherrschungskonzepts ("Deutschbeherrschung") zugunsten einer gesellschafterbezogenen Betrachtungsweise unter Berücksichtigung der nahestehenden Personen;
die Verschärfung der Regelung zur Aktivität von Dividenden (§ 8 Abs. 1 Nr. 8 AStG), indem die aus § 8b KStG bekannten Einschränkungen des Schachtelprivilegs in die Neuregelung übernommen werden;
die Streichung des Vorbehalts in § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG für Veräußerungsgewinne, die auf Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter entfallen;
die phasengleiche Erfassung des Hinzurechnungsbetrags beim inländischen Beteiligten, d.h. schon in dem Wirtschaftsjahr, in dem die passiven Einkünfte bei der ausländischen Gesellschaft erzielt werden;
die Beibehaltung der Grenze für die Niedrigbesteuerung (< 25 %);
die Einführung der Möglichkeit eines Entlastungsbeweises in Drittstaatensachverhalten für Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter.
 

Rz. 286

Im Jahr 2006 hat der EuGH in der Rechtssache Cadbury Schweppes zu den Bestimmungen der britischen Hinzurechnungsbesteuerung (den sog. CFC-Rules) entschieden, dass es der Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV entgegensteht, wenn ein EU-Mitgliedstaat die Einkünfte einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Tochtergesellschaft nur deshalb besteuert, weil deren Einkünfte in diesem anderen Mitgliedstaat einer niedrigeren Besteuerung unterliegen. Eine Ausnahme lässt der EuGH danach nur dann zu, wenn davon nur rein künstliche Gestaltungen betroffen sind. Das kann jedoch nach dieser Rechtsprechung nicht angenommen werden, wenn die Tochtergesellschaft in dem ausländischen Staat tatsächlich angesiedelt ist und einer wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeit nachgeht.[302] Das hat den Gesetzgeber veranlasst, in der EU und im EWR ansässige Gesellschaften von der Hinzurechnung unter bestimmten Umständen auszunehmen. Nach § 8 Abs. 2 AStG sind deshalb inzwischen Gesellschaften mit Sitz oder Geschäftsleitung in einem Mitgliedstaat der EU oder des EWR dann nicht als Zwischengesellschaft zu qualifizieren, wenn für sie der Nachweis erbracht werden kann, dass sie einer "tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit" nachgehen.

 

Rz. 287

Darüber hinaus müssen bestimmte Anforderungen an die Erteilung von Auskünften für Besteuerungszwecke durch den ausländischen Staat erfüllt werden. Nach dem ATAD-UmsG wurde die Formulierung des § 8 Abs. 2 AStG dahingehend geändert werden, dass künftig eine "wesentliche wirtschaftliche Tätigkeit" der ausländischen Gesellschaft für den Entlastungbeweis nach § 8 Abs. 2 AStG gefordert wird. Dies kann als Verschärfung der Anforderungen an den Entlastungsbeweis verstanden werden.[303]

 

Rz. 288

Was unter einer "wesentlichen wirtschaftlichen Tätigkeit" im Sinne des Gesetzes zu verstehen ist, ist nun in § 8 Abs. 2 AStG näher definiert[304] Danach hat der Steuerpflichtige zum Beleg der "wesentlichen wirtschaftlichen Tätigkeit" nachzuweisen, dass

er für den Einsatz über die für die Ausübung der Tätigkeit erforderliche sachliche und personelle Ausstattung verfügt,
die Tätigkeit durch hinreichend qualifiziertes Personal selbstständig und eigenverantwortlich ausgeübt wird,
die Gesellschaft ihre Einkünfte unter Wahrung des Fremdvergleichsgrundsatzes aufgrund eigener Aktivitäten erzielt und
die Gesellschaft ihre wesentlichen wirtschaftlichen Tätigkeiten nicht überwiegend durch Dritte besorgen lässt.
 

Rz. 289

Die Hinzurechnungsbesteuerung hat zur Folge, dass der unbeschränkt Steuerpflichtige (z.B. eine natürliche Person oder eine GmbH) die auf seine Beteiligung entfallenden Einkünfte der ausländischen Kapitalgesellschaft (abzüglich bestimmter Steuern auf Einkommen und Vermögen der Gesellschaft) als Hinzurechnungsbetrag i.S.d. § 10 Abs. 1 AStG im Inland zu versteuern hat (vgl. § 7 Abs. 1 AStG). Grundsätzlich gehört der Hinzurechnungsbetrag gem. § 10 Abs. 2 Satz 1 AStG wie Gewinnausschü...

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