(1) Allgemeines

 

Rz. 189

Der Nießbrauch kann grundsätzlich an Rechten jeder Art eingeräumt werden, wenn und soweit das Recht übertragbar ist, §§ 1068, 1069 Abs. 2 BGB, und mittelbar oder unmittelbar Nutzungen abwirft. Praktische Bedeutung hat der Nießbrauch an Rechten beim Unternehmensnießbrauch, beim Nießbrauch an Gesellschaftsbeteiligungen und bei Sachgesamtheiten (§ 1085 BGB), wo wegen des Spezialitätsgrundsatzes der Nießbrauch an jedem einzelnen Vermögensgegenstand, also auch an den dazu gehörenden Rechten, bestellt werden muss.

 

Rz. 190

Besonders geregelt sind der Nießbrauch an einer Leibrente (§ 1073 BGB), an einer Forderung (§§ 10741079 BGB), an einer Grund- oder Rentenschuld (§ 1080 BGB) sowie an Inhaber- und Orderpapieren (§§ 10811084 BGB).

Im Wesentlichen gelten hierfür dieselben Vorschriften wie bezüglich des Nießbrauchs an Sachen, § 1068 Abs. 2 BGB. Auch der Nießbrauch an einem Recht gewährt ein unmittelbares dingliches Recht und beinhaltet ein Recht auf die Nutzungen.

Bei Bestellung eines Nießbrauchs an Sparguthaben (§§ 398, 1069 BGB) ist dem Nießbraucher auch das Sparbuch zu übergeben (§ 952 BGB). Entsprechendes gilt bei Wertpapieren (z.B. Bundesanleihen, Schuldverschreibungen, Grundschuldbriefen, Inhaberaktien). Zinsen und (Vorzugs-) Dividenden stehen dem Nießbraucher, Veräußerungsgewinne und Bezugsrechte dem Eigentümer zu. Auf Verlangen ist ein (ggf. notariell aufgenommenes) Verzeichnis der belasteten Gegenstände zu erstellen (§ 1035 BGB).

 

Rz. 191

Einige besondere Regeln gelten hier:

Die Aufhebung oder Änderung eines Rechts, das dem Nießbrauch unterliegt, kann nur mit Zustimmung des Nießbrauchers erfolgen. Dies gilt hinsichtlich der Rechtsänderung nur dann, wenn dadurch der Nießbrauch beeinträchtigt wird, § 1071 BGB. Wird die Zustimmung nicht erteilt, so bleibt das Rechtsgeschäft gegenüber dem Nießbraucher – also relativ – unwirksam.[216]
Der Nießbrauch an Aktien und GmbH-Geschäftsanteilen wird in der Literatur kontrovers diskutiert.[217] Nach herrschender Meinung steht dem Aktionär das Bezugsrecht auf neue Aktien zu. Umstritten ist, ob das Stimmrecht dem Aktionär oder dem Nießbraucher zusteht.
Auch der Nießbrauch am Anteil einer Personengesellschaft bringt schwierige rechtliche Probleme mit sich. Ein Nießbrauch an einem Anteil einer Personengesellschaft kann bestellt werden, wenn der Gesellschaftsvertrag dies gestattet oder wenn die übrigen Gesellschafter zustimmen.
[216] MüKo/Pohlmann, § 1071 Rn 12.
[217] Staudinger/Frank, Anhang zu §§ 1068 ff. Rn 93–120; MüKo/Pohlmann, § 1068 Rn 35–37; Soergel/Baur, § 1068 Rn 9.

(2) Nießbrauch an einem Einzelunternehmen

 

Rz. 192

Eine besondere gesetzliche Regelung für einen Nießbrauch an einem Unternehmen fehlt. In § 22 HGB wird seine Zulässigkeit aber vorausgesetzt. Zu klären ist mit dem Erblasser zunächst, was im Einzelnen gewollt ist. Denkbar wäre ein Unternehmensnießbrauch, bei dem der Nießbraucher als Unternehmer auftritt oder ein Ertragsnießbrauch, bei dem der Nießbrauchbesteller selbst Inhaber des Unternehmens bleibt, während der Gewinn ganz oder zum Teil an den Nießbraucher auszukehren ist.

 

Rz. 193

Welchen Rechtscharakter der Nießbrauch an einem Unternehmen hat, ist streitig. Nach heute herrschender Meinung bedarf es zwar zur Begründung des Nießbrauchs am Unternehmen wegen des sachenrechtlichen Spezialitätsgrundsatzes der Einräumung des Nießbrauchs an den zum Unternehmen gehörenden Sachen und Rechten durch konkreten Einzelbestellungsakt. Trotzdem entsteht darüber hinaus ein dinglich wirkender Nießbrauch am Unternehmen als Ganzes, sodass davon auch der Goodwill (z.B. Kundenbeziehungen, Know-how) erfasst ist.[218]

[218] Vgl. Staudinger/Frank, Anhang zu §§ 1068, 1069 Rn 29 m.w.N.; BGH NJW 2002, 434.

(a) Rechtsstellung des Unternehmers

 

Rz. 194

Der Rechtsberater hat bei der Testamentsgestaltung zu klären, ob der Nießbraucher selbst die rechtliche Stellung des Unternehmers einnehmen soll oder ob dem Nießbraucher nur die Erträge des Unternehmens zufließen sollen. Dabei besteht Einigkeit darüber, dass der eigentliche Unternehmensnießbrauch die Unternehmereigenschaft des Nießbrauchers selbst bedeutet.[219]

Beim "Ertragsnießbrauch" verbleibt die Unternehmerstellung beim Nießbrauchsbesteller; in der Praxis wird häufig in solchen Fällen nur eine Quote des Ertrags dem Begünstigten zugewandt. Ein eigentliches Nießbrauchsrecht beinhaltet diese Konstruktion nicht.

[219] Staudinger/Frank, Anhang zu §§ 1068, 1069 Rn 32.

(b) Rechtswirkungen

 

Rz. 195

Da der Nießbrauch an einem Unternehmen gleichzeitig ein Nießbrauch an den dazugehörenden Sachen und Rechten ist, gelten die Vorschriften der §§ 1030 bis 1084 BGB. Sollte das Unternehmen jedoch das gesamte Vermögen des Nießbrauchsbestellers darstellen, so wären auch die Vorschriften über den Vermögensnießbrauch anzuwenden (§§ 1085 bis 1089 BGB).

(aa) Umlaufvermögen des Unternehmens

 

Rz. 196

Das Umlaufvermögen (§ 266 Abs. 2 HGB) stellt u.a. auch verbrauchbare Sachen im Sinne des § 1067 BGB dar. Deshalb werden die verbrauchbaren Sachen nach dieser Vorschrift Eigentum des Nießbrauchers. Verbunden damit ist das Verfügungsrecht des Nießbrauchers.

(bb) Anlagevermögen

 

Rz. 197

Im Umkehrschluss zu § 1067 BGB v...

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